OTS0355   20. Juni 2013, 22:31

Opposition bezweifelt Reformwillen bei System der Schulverwaltung

Regierungsvorschlag für Abschaffung der Bezirksschulratsbehörden im Unterrichtsausschuss nur mit SPÖ-ÖVP- Mehrheit gebilligt


Keine echte Reform der Schulverwaltung ergebe sich aus
dem Regierungsvorschlag zur Abschaffung der Bezirksschulratsbehörden.
Mit dieser Kritik wandten sich die Oppositionsparteien heute im
Unterrichtsausschuss des Nationalrats gegen die Verfassungsnovelle,
mit der Außenstellen des jeweiligen Landesschulrats die Aufgaben der
Bezirksschulräte übernehmen sollten. Trotz Billigung des
Gesetzesentwurfs im Ausschuss durch SPÖ und ÖVP gilt seine
Realisierung nicht als gesichert. Für die Schulbehörden-
Verwaltungsreform muss bei der Plenarsitzung des Nationalrats nämlich
eine verfassungsmäßige Zweidrittel-Mehrheit erreicht werden.

In seiner Diskussion über das Reformvorhaben, die schulische
Ganztagsbetreuung auszubauen, fand der Ausschuss dagegen eine
einheitliche Linie der Zustimmung. Die übrigen thematisierten
Gesetzesentwürfe im Zusammenhang mit der Schulreform wurden teils mit
SPÖ-ÖVP-Mehrheit, teils einstimmig ins Nationalratsplenum geschickt.

Einen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen zum
Unterrichtsschwerpunkt Zweiter Weltkrieg in der Politischen Bildung
beschlossen die Abgeordneten einhellig, Anträge der FPÖ und der
Grünen auf Adaptierungen im Schulwesen und zwei Bürgerinitiativen zu
schulischen Neuerungen wurden mit den Stimmen der Regierungsparteien
vertagt.

Reformiert Schulbehörden-Änderung tatsächlich die Schulverwaltung?

Bei der im Gesetzesvorschlag skizzierten Neuorganisation der
Schulbehörden seien viele Fragen noch ungeklärt, etwa wie die
BürgerInnen Antworten auf schulrechtliche Fragen erhalten,
beanstandete Ausschussobmann Walter Rosenkranz (F). Auch wenn die
politisch besetzten Kollegien der Bezirksschulräte laut
Regierungsplan abgeschafft werden, sei das Schulwesen damit nicht
entpolitisiert, prangerte Grünen-Bildungssprecher Harald Walser an.
Immerhin wähle die Politik weiterhin die Behörden des Landesschulrats
aus. Auf die Zustimmung seiner Fraktion im Nationalratsplenum könnten
die Koalitionsparteien nur setzen, so Walser, wenn entsprechende
Abänderungsanträge vorgelegt werden.

Das von SPÖ und ÖVP herausgestrichene Einsparungspotential durch den
Wegfall einer Behördenebene ließ BZÖ-Bildungssprecherin Ursula
Haubner nicht gelten. Mit dem aktuellen Vorschlag werde vielmehr ein
"Bezirksschulrat light" geschaffen, der Gesetzesentwurf gewährleiste
also keineswegs eine ersatzloses Streichung der Bezirksschulräte und
benötige noch eine grundlegende Überarbeitung. Dieser Sichtweise
schloss sich auch Team Stronach-Politiker Stefan Markowitz an.
Die umstrittene Verfassungsnovelle (2412 d.B), über die mit den
Bundesländern eine Einigung erzielt wurde, sieht vor, dass anstatt
der derzeit 98 Bezirksschulratsbehörden inklusive der von Parteien
besetzten Bezirkschulratskollegien ein regionales Schul- und
Qualitätsmanagement eingerichtet wird. Dieses ist laut
Gesetzesentwurf von den Landesschulräten über regional flexibel
einsetzbaren Außenstellen zu verwalten. 20 Prozent der derzeit 130
Bezirksschulsratsplanstellen will die Regierung bis 2018 so
einsparen.

Die BildungssprecherInnen der Regierungsfraktionen, Elmar Mayer (S)
und Christine Marek (V) meinten zum Protest der Opposition, immerhin
werde mit der Vereinbarung ein erster Schritt zur
Verwaltungsvereinfachung gesetzt. Das bekräftigte auch
Unterrichtsministerin Claudia Schmied im Ausschuss, und sie
erinnerte, "eine Schulverwaltungsreform gegen Länderinteressen ist
unmöglich". Die jahrelange Debatte mit den Ländern über eine Reform
der Schulverwaltungsbehörden habe in der gegenständlichen Vorlage
einen Kompromiss gefunden. Als Gegenmodell sei nur die Option im Raum
gestanden, mehr Kompetenzen an die Bundesländer auszulagern, womit
sich nicht unbedingt der Effizienzgewinn der jetzigen Vereinbarung
ergeben hätte. "Die Gesetzesänderung ist ein wichtiges Signal für den
Verwaltungsbereich", unterstrich Schmied.

Ganztagsbetreuung an Schulen einstimmig genehmigt

Anders als beim Reformkonzept zur Schulbehördenverwaltung überwogen
positive Kommentare zum Plan, die schulische Tagesbetreuung von
Kindern und Jugendlichen auszuweiten. Bund und Länder haben eine
Verlängerung der 15a-Vereinbarung über den vermehrten Ausbau
ganztägiger Schulformen bis Ende des Schuljahres 2018/19
ausverhandelt (2410 d.B.). Auch der Unterrichtsausschuss stimmte den
Ausbauplänen einhellig zu. Damit sollen bis zum Schuljahr 2016/17
insgesamt 174.000 Plätze in der schulischen Tagesbetreuung
flächendeckend geschaffen werden. Den leichten Vorbehalten der
Abgeordneten Edith Mühlberghuber (F) und Ursula Haubner (B), diese
hohe Zahl an Betreuungsplätzen entspreche wohl nicht dem Bedarf,
hielt Bundesministerin Schmied entgegen, die Möglichkeit einer
ganztägigen Betreuung sei jedenfalls zu schaffen. Die Wahlfreiheit
bleibe dabei natürlich bestehen.

Umfasst vom Ausbau sind sowohl Pflichtschulen als auch allgemein
bildende höhere Schulen. Der Bund unterstützt diese Initiative 2014
mit insgesamt rund 78,54 Mio. €, für 2015 bis 2018 beträgt die
Anschubfinanzierung in etwa 375,4 Mio. €.

Pflichtschulen: schulübergreifende Leitung soll Schule machen

Als weiteren Punkt der Reformvorhaben thematisierte der
Unterrichtsausschuss die Möglichkeit schulübergreifender
Leitungsfunktionen an Pflichtschulen. Mit einer Änderung des
Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (2436 d.B.) soll es Pflichtschul-
DirektorInnen künftig möglich sein, eine ausgeweitete schul- bzw.
schultypenübergreifende Leitung zu übernehmen. Das sei nicht zuletzt
zum Erhalt von kleineren Schulstandorten eine bedeutende Maßnahme, so
der Tenor im Ausschuss. Unterrichtsministerin Schmied dache zudem das
Modell der "Campus-Schule" an, das sich mit der Gesetzesänderung
leichter realisieren lasse. Die derzeit gültige Bestimmung, dass
lediglich zwei kleine allgemein bildende Pflichtschulen unter einer
gemeinsamen Direktion zusammengeführt werden können, sei zu eng
gefasst gewesen, so die Erläuterung im Gesetzesvorschlag. Erfüllt
eine Lehrkraft die Ernennungsvoraussetzungen für zumindest eine der
zu leitenden Schulen, soll dies für eine übergreifende
Leitungstätigkeit ausreichen.

Einstimmig nahm der Ausschuss auch eine Ergänzung zum
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes des
Unterrichtsressorts sowie eine Novellierung des
Unterrichtsprakikumsgesetzes an (2427 d.B.). Demnach sind ab nächstem
Jahr die Landesverwaltungsgerichte mit Entscheidungen über die
behördliche Vollziehung des Dienstrechts bei LandeslehrerInnen
befasst. Für UnterrichtspraktikantInnen wird dann das
Bundesverwaltungsgericht zuständig sein. Außerdem gewährt die Novelle
PraktikantInnen in eingetragenen Partnerschaften ebenfalls Anspruch
auf Pflegefreistellung für das Kind des/der Partner/in.

SchülerInnenbeihilfe wird von Notendurchschnitt entkoppelt

BürgerInnenfreundlicher sei die SchülerInnenbeihilfe zu gestalten,
heißt es im betreffenden Gesetzesvorschlag des Unterrichtsressorts
(2411 d.B.), den SPÖ, ÖVP und Grüne annahmen. Unter anderem ist eine
E-Government-Nachweisabfrage mit der Novelle angedacht. An der
Bestimmung, dass in Zukunft die Bezugshöhe nicht mehr mit dem
Notendurchschnitt in Zusammenhang stehen soll, stießen sich jedoch
die Abgeordneten Walter Rosenkranz, Bernhard Vock (beide F) und
Ursula Haubner (B). Mit dem Unterlassen einer Erhöhung der Beihilfe
bei guten Noten falle der Leistungsanreiz weg, so ihre Befürchtung.
Die Mandatarinnen Sonja Ablinger (S) und Christine Marekt (V)
sprachen sich dagegen vehement für die Entkoppelung von
Leistungserfolg und Höhe der Beihilfe aus, stelle die
SchülerInnenbeihilfe doch vor allem eine soziale Unterstützung dar,
wie Marek sagte.

Zwecks finanzieller Hilfe zur Neuorientierung bzw. Weiterbildung wird
die Altersgrenze für Bezugsberechtigte von 30 auf 35 Jahre angehoben.

Politische Bildung: Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg, Bürgerinitiativen

2015 sei es sinnvoll, das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren
zum Anlass zu nehmen, einen entsprechenden Unterrichtsschwerpunkt in
der politischen Bildung vorzusehen, wird in einem SPÖ-ÖVP-Antrag
(2341/A[E]) festgehalten. Insbesondere Themen wie NS-Terror und
Holocaust, totalitäre Ideologien, aber auch die Entwicklung der
Europäischen Union als Friedensprojekt müssten dabei behandelt
werden, um zu vermitteln, dass Demokratie, Friede und Wohlstand nicht
selbstverständlich sind, heißt es in dem Ersuchen an das
Unterrichtsministerium. Sämtliche Ausschussmitglieder erklärten dazu
ihre Zustimmung.

Zwei Bürgerinitiativen mit Verlangen zum Bereich politische Bildung
und demokratische Mitwirkung von SchülerInnen vertagte der Ausschuss
mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit. Die zunächst verhandelte Initiative (58/BI)
setzt sich für die Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfaches
"Politische Bildung" an allen Schulen ab der 7. Schulstufe ein. In
der zweiten Bürgerinitiative (39/BI) wird eine Direktwahl der Landes-
und Bundesschülervertretung durch SchülerInnen von höherbildenden
Schulen und Berufsschulen gefordert. In ihrer Erklärung befinden die
UnterstützerInnen, dass direkte Wahlen neben einer
Systemvereinfachung auch vermehrten Zuspruch zur politischen Bildung
bei SchülerInnen bewirken würden.

Opposition zeigt Problemfelder des heimischen Schulwesens auf

Unterricht in Gebärdensprache, die Wiedereinführung von
Verhaltensnoten, ein klares Benotungssystem für SchülerInnen mit
Legasthenie, zusätzliche Mittel für die HTL Ferlach und integrativ
geführte Volksschulen thematisierten die Oppositionsfraktionen mit
ihren Entschließungsanträgen im weiteren Verlauf der
Ausschussdebatte. Sämtliche Anträge wurden von den
Regierungsfraktionen vertagt.

Der Appell von FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz und Dagmar
Berlakowitsch-Jenewein, die Gebärdensprache als Unterrichtssprache
anzuerkennen, (2318/A[E]) wurde in Abwesenheit des ÖVP-Mandatars
Franz-Joseph Huainigg vertagt, der zuvor noch an den Nationalen
Aktionsplan der Bundesregierung erinnert hatte, in dem die Einführung
eines bilingualen Unterrichts mit Gebärdensprache bis 2020 vorgesehen
sei. Vehementer Protest gegen die Vertagung kam nicht nur von
Antragsteller Rosenkranz, sondern auch von den Abgeordneten Helene
Jarmer (G) und Stefan Markowitz (T). Jarmer konstatierte,
Gebärdensprache sei verfassungsrechtlich als Minderheitensprache
anerkannt, ihre Nutzung im Unterricht stelle ein Menschenrecht dar.
Seitens der SPÖ verdeutlichten die Mandatare Franz Riepl und Elmar
Mayer, sie seien sich der hohen Sensibilität dieser Frage völlig
bewusst und daher gegen eine Ablehnung des Antrags, doch sei die
Forderung noch nicht ausreichend durchdacht. Gerade die rechtlichen
Auswirkungen müsse man noch umfassend diskutieren.

Kritisch zum Antrag des FPÖ-Abgeordneten Rosenkranz äußerte sich
Abgeordnete Christine Marek (V). Rosenkranz fordert, Verhaltensnoten
in Zeugnisse aller Schulstufen wieder einzuführen (2351/A[E]). In
seiner Erklärung dazu sagte er, das wäre entscheidend für die
Herausbildung soziale Fähigkeiten in Hinblick auf das spätere
Berufsleben der SchülerInnen. Marek erachtete als besseres Instrument
dazu die ergänzende differenzierte Leistungsbeschreibung.
Abgeordnetem Harald Walser (G) zufolge handelt es sich dabei um ein
wichtiges Anliegen, worauf die FPÖ aber die falsche Antwort gebe. Er
trat nachdrücklich dafür ein, sich dieses Themas anzunehmen.
Abgeordnete Ursula Haubner (B) wiederum unterstützte den Antrag, da
Ordnung, Disziplin und Fleiß etwas seien, was junge Menschen dringend
brauchten.

Bei einem weiteren FPÖ-Antrag (2350/A[E]) begründete Abgeordnete
Ablinger (S) die Vertagung mit dem Hinweis, dass man derzeit im
Unterrichtsministerium an einer Klarstellung der darin aufgezeigten
Probleme arbeite. Kritisiert werden in der Forderung die ungenauen
Vorgaben des Unterrichtsministeriums bei der Leistungsbewertung von
SchülerInnen mit ausgewiesener Lese-Rechtschreibschwäche bzw.
Legasthenie. Schließlich drängt die FPÖ in einem Antrag der
Abgeordneten Gernot Darmann und Walter Rosenkranz auf eine
Sonderfinanzierung der Höheren Technischen Bundeslehr- und
Versuchsanstalt Ferlach, um deren praxisbezogene Projekte in
Kooperation mit der Wirtschaft zu unterstützen und damit auch das
hohe Ausbildungsniveau der 135-Jahre alten Schule zu würdigen
(2319/A[E]).

Zur besseren individuellen Förderung von SchülerInnen sprach sich
Grünen-Bildungssprecher Harald Walser für das flächendeckende Angebot
einer flexiblen Schuleingangsphase an Volksschulen aus (2215/A[E]).
Dabei sollten die ersten beiden Klassen sowie bei Bedarf die
Vorschulklasse gemeinsam geführt werden, so die Überlegung, für die
es bereits seit dem Schuljahr 1999/2000 eine viel zu selten genutzte
rechtliche Grundlage gebe, erinnerte Walser. Mit dem Hinweis darauf,
dass das jetzt bereits möglich sei und es dazu auch schon
Schulversuche gebe, ging Abgeordneter Elmar Mayer (S) auf diesen
Antrag näher ein. Es sei in seinen Augen aber zu früh, das jetzt in
ganz Österreich einzuführen. Dennoch war er mit Abgeordnetem Walser
(G) einer Meinung, dass man in der kommenden Gesetzgebungsperiode den
Volksschulbereich in den Mittelpunkt des Interesses stellen müsse.
Der Antrag sei jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, so
Mayer. (Schluss Unterrichtsausschuss) rei/jan/fru

OTS-Originaltext Presseaussendung unter ausschließlicher inhaltlicher Verantwortung des Aussenders.
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