OTS0260   20. Juni 2013, 14:27

Innenausschuss: Hearing zur Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes

Gut integrierte Fremde sollen rascher die Staatsbürgerschaft erhalten


Mit einem öffentlichen Hearing starteten heute die
Beratungen im Innenausschuss des Nationalrats über die von der
Regierung vorgeschlagene Novellierung des
Staatsbürgerschaftsgesetzes. Unter anderem ist geplant, gut
integrierten Fremden einen rascheren Zugang zur Staatsbürgerschaft zu
ermöglichen, eheliche und uneheliche Kinder im
Staatsbürgerschaftsrecht gleichzustellen und die Einbürgerung von
Adoptivkindern zu erleichtern. Zudem werden die Bestimmungen über den
nachzuweisenden gesicherten Lebensunterhalt adaptiert und
verschiedene Härtefallregelungen verankert.

Der Entwurf stieß bei den geladenen Experten auf durchaus
unterschiedliche Reaktionen. Während der Leiter der Abteilung für
Aufenthalt und Staatsbürgerschaftswesen im Innenministerium Dietmar
Hudsky von einer gelungenen Lösung sprach, kritisierten der
Politologe Univ. Prof. Rainer Bauböck vom Europäischen
Hochschulinstitut in Florenz und der Wiener Rechtsanwalt Thomas
Neugschwendtner die Novelle als restriktiv und orteten teils
erhebliche Defizite zulasten von EinbürgerungswerberInnen.

Regierungsvorlage sieht Möglichkeit der Einbürgerung bereits nach
sechs Jahren vor

Konkret sollen Fremde laut Gesetzesnovelle (2303 d.B.) künftig
bereits nach sechs Jahren Aufenthalt die österreichische
Staatsbürgerschaft beantragen können, wenn sie ausgezeichnet deutsch
sprechen - B2-Niveau - oder alternativ in anderer Form eine
nachhaltige persönliche Integration nachweisen, die auch dem
Allgemeinwohl dient. Dazu zählt etwa ein mindestens dreijähriges
freiwilliges ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen
Organisation, eine mindestens dreijährige berufliche Tätigkeit im
Gesundheits-, Sozial- oder Bildungsbereich oder eine mindestens
dreijährige Funktionsausübung in einer Interessenvertretung oder
einem Interessenverband. Dazu zählt etwa auch eine Tätigkeit als
Betriebsrat oder als Elternvereinssprecher. Wird keines dieser
Kriterien erfüllt, bleibt es bei der geltenden mindestens
zehnjährigen Wartefrist.

Was die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung der
Staatsbürgerschaft anbelangt, sieht die Novelle eine gewisse
Lockerung der Bestimmungen über den Nachweis des gesicherten
Lebensunterhalts vor. Demnach soll künftig ein sechsjähriger Rahmen
gelten, wobei in zumindest 36 Monaten, darunter die letzten sechs
Monate vor Antragstellung, ein ausreichendes Einkommen nachgewiesen
werden muss. Ein vorübergehender Sozialhilfebezug während der letzten
drei Jahre wäre damit kein Hindernis für die Erlangung der
österreichischen Staatsbürgerschaft mehr. Außerdem ist eine
Härtefallregelung für seit Jahren in Österreich lebende Fremde
geplant, die wegen einer Behinderung oder einer dauerhaften
schwerwiegenden Krankheit ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend
selbst finanzieren können.

Keine Unterschiede macht das neue Staatsbürgerschaftsgesetz zwischen
ehelichen und unehelichen Kindern. Demnach werden auch uneheliche
Kinder, die eine ausländische Mutter und einen österreichischen Vater
haben, in Hinkunft automatisch Anspruch auf die österreichische
Staatsbürgerschaft haben. Voraussetzung dafür ist, dass die
Vaterschaft innerhalb von acht Wochen nach der Geburt des Kindes
anerkannt bzw. gerichtlich festgestellt wurde. Wird diese Frist
versäumt, greifen neue Bestimmungen, die für unmündige Minderjährige
mit österreichischem Vater einen erleichterten Zugang zur
österreichischen Staatsbürgerschaft vorsehen. Ähnliche Bestimmungen
sollen auch für Adoptivkinder gelten.

Abhilfe wird darüber hinaus für jene wenigen Einzelfälle geschaffen,
in denen ein Fremder / eine Fremde über Jahre hinweg im Glauben
gelebt hat, die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen und
auch von den Behörden als ÖsterreicherIn behandelt wurde. Diese so
genannten "PutativösterreicherInnen", die teilweise sogar den Wehr-
bzw. Zivildienst abgeleistet haben, können künftig die
österreichische Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben, wobei
lediglich die bisherige Unbescholtenheit nachzuweisen ist. Die
Anzeige muss innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis der
tatsächlichen Sachlage erfolgen.

Schließlich sind erleichterte Einbürgerungsregelungen für seit Jahren
in Österreich lebende Fremde in Aussicht genommen, die schon als Kind
nach Österreich gekommen sind, deren Eltern es aber verabsäumt haben,
die erworbene Staatsbürgerschaft auf sie zu erstrecken.

Bauböck: Staatsbürgerschaftsgesetz im internationalen Vergleich
äußerst restriktiv

Rainer Bauböck (Europäisches Hochschulinstitut Florenz) beleuchtete
das heimische Staatsbürgerschaftsrecht im europäischen Vergleich und
kam zu dem Schluss, Österreich zähle mit der vorliegenden Novelle zu
jener Gruppe von Staaten, die die Frage der Verleihung der
Staatsbürgerschaft am restriktivsten behandeln. Kritik übte Bauböck
zunächst an der grundsätzlichen Voraussetzung des zehnjährigen
ununterbrochenen legalen Aufenthalts in Österreich. Dies könne zu
extremen Härtefällen führen, zumal eine auch nur kurze Unterbrechung
des legalen Aufenthaltes mangels rechtzeitiger Verlängerung des
Aufenthaltstitels zur Folge habe, dass die Frist wieder gänzlich von
vorne zu laufen beginnt. Problematisch war in der Einschätzung
Bauböcks auch die Regelung des Nachweises eines gesicherten
Lebensunterhaltes, wobei der Universitätsprofessor von
"Einkommenshürden" sprach. Das Abstellen der Novelle auf die drei
besten Jahre innerhalb der letzten sechs Jahre sei zwar eine gewisse
Erleichterung, die Bemessungsgrundlage in der Höhe des
Ausgleichszulagenrichtsatzes erscheine im europäischen Vergleich
allerdings äußerst hoch. Dazu würden noch hohe Gebühren sowie hohe
Kosten, etwa für Sprachkurse oder Übersetzungen kommen, was, wie
Bauböck zu bedenken gab, auch qualifizierte Ausländer abschrecke. Zu
der vom Gesetz verlangten Unbescholtenheit wandte Bauböck ein, die
Schwelle sei extrem niedrig und stelle schon bei relativ geringen
Vergehen einen Hinderungsgrund für die Einbürgerung dar. Als
zentralen Mangel beanstandete er darüber hinaus, dass das
österreichische Staatsbürgerschaftsrecht nach wie vor nur in extremen
Ausnahmefällen ein ius soli kenne und damit die zweite Generation der
Zuwanderer von der Staatsbürgerschaft, aber auch von der politischen
Vertretung ausschließe. Insgesamt erzeuge die Novelle dadurch
letztlich auch ein demokratisches Defizit, befand Bauböck.

Hudsky: Novelle ist gelungene Lösung

Dietmar Hudsky (BMI, Abteilung für Aufenthalt und
Staatsbürgerschaftswesen) schätzte die Novelle hingegen überwiegend
positiv ein. Beim Staatsbürgerschaftserwerb durch Abstammung habe man
eine gelungene Lösung gefunden, die für uneheliche Kinder
österreichischer Väter ex lege den Erwerb der Staatsbürgerschaft
ermögliche. Einen rechtspolitisch richtigen Weg beschreite der
Entwurf auch beim Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes durch
die Schaffung einer Ausnahmeregelung für Menschen mit besonderen
Bedürfnissen, hob Hudsky hervor. Positiv bewertete er darüber hinaus
die Flexibilität bei der Berechnung des Lebensunterhaltes, zumal nun
auf die besten drei Jahre innerhalb der letzten sechs Jahre
abgestellt wird. Ausdrücklich begrüßte Hudsky ferner die verkürzte
Aufenthaltsdauer von sechs Jahren bei Vorliegen besonders guter
Sprachkenntnisse oder sozialen Engagements und argumentierte, diese
Bestimmung mache es möglich, auf unterschiedliche Lebenssituationen
Bedacht zu nehmen, und motiviere darüber hinaus Menschen, durch
besondere Leistungen bereits früher die Staatsbürgerschaft zu
erlangen. Zu den sogenannten "Putativösterreichern" stellte er klar,
die bloße Anzeige bei der Behörde werde in Hinkunft ausreichen, um
die Staatsbürgerschaft zu erwerben, wenn die fälschliche Behandlung
mindestens 15 Jahre lang ohne Schuld des Betroffenen stattgefunden
hat.

Neugschwendtner: Defizite bei unehelichen Kindern, Lebensunterhalt
und Aufenthaltsfrist

Thomas Neugschwendtner (Rechtsanwalt) sah die Gleichstellung von
unehelichen mit ehelichen Kindern beim Erwerb der Staatsbürgerschaft
nach wie vor als nicht gegeben. Die von der Novelle geforderte Frist
von acht Wochen für die Anerkennung durch den österreichischen Vater
sei willkürlich festgesetzt und sachlich nicht nachvollziehbar,
kritisierte er und vermisste zudem eine Übergangsfrist für Altfälle.
Der Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts wiederum stellt nach
Meinung Neugschwendtners in der Praxis die größte Hürde dar. Er
beanstandete in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der nunmehr
verlangte Unterhalt über der bedarfsgerechten Mindestsicherung liegt.
Die demonstrative Aufzählung der Ausnahmefälle, so etwa Behinderung
oder schwere Krankheit, werde in der Praxis taxativ wirken und
Menschen mit geringfügigen Einkommen von der Einbürgerung
ausschließen, warnte er. Irritiert zeigte sich Neugschwendtner auch
über das Erfordernis des zehnjährigen ununterbrochenen legalen
Aufenthalts in Österreich. Wenn man innerhalb dieser Frist vergisst,
rechtszeitig den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels zu
stellen, dann fängt die Frist wieder von vorne zu laufen an, gab er
zu bedenken und schlug eine Abfederung vor, sodass kurze Zeiten des
illegalen Aufenthalts innerhalb der Zehnjahresfrist nicht als
Hindernis gewertet werden. Bei Putativösterreichern hielt
Neugschwendtner eine großzügigere Regelung für angebracht, zumal es
sich, wie er betonte, lediglich um eine kleine Gruppe handelt.

Die Reaktionen der Abgeordneten

In der Debatte nahmen die Abgeordneten zu den Statements der Experten
Stellung, wobei die Grün-Mandatare Alev Korun und Peter Pilz vor
allem die Kritik Bauböcks und Neugschwendtners aufgriffen. Die Acht-
Wochen-Frist für die Anerkennung der Vaterschaft bei unehelichen
Kindern sei sachlich nicht zu rechtfertigen, meinte Korun. Der
Einkommensnachweis wiederum werde dazu führen, dass
GeringverdienerInnen weiterhin kategorisch von der Einbürgerung
ausgeschlossen bleiben, warnte sie ebenso wie die SP-Abgeordnete
Sonja Ablinger. Bei den "Putativösterreichern" schließlich ortete
Korun durch die Erleichterungen für Zivildiener und Grundwehrdiener
eine sachliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen.

Die Abgeordneten Franz Josef Huanigg (V) und Ulrike Königsberger-
Ludwig (S) begrüßten ihrerseits die Ausnahmen für behinderte Menschen
vom Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes, während Abgeordneter
Wolfgang Gerstl (V) die Bedachtnahme der Novelle auf die Abstammung
verteidigte. Das jus soli sei typisch für traditionelle
Einwanderungsländer, in Europa hingegen nehme man eher auf die
Abstammung Bedacht, um eine einheitliche Staatsbürgerschaft innerhalb
der Familie sicherzustellen, lautete sein Argument.

Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) unterstütze grundsätzlich die von
der Novelle vorgenommenen Reparaturen aufgrund höchstgerichtlicher
Entscheidungen, meinte im Übrigen aber auch, die Regelung der
Verleihung einer Staatsbürgerschaft sei letztlich eine rein
politische Frage und nicht Gegenstand einer juristischen Expertise.

Die Beratungen wurden im Anschluss an das Hearing einstimmig vertagt.
In seiner nächsten Sitzung am 27. Juni wird sich der Innenausschuss
in einer Generaldebatte abermals mit dem Staatsbürgerschaftsgesetz
befassen. (Schluss) hof

OTS-Originaltext Presseaussendung unter ausschließlicher inhaltlicher Verantwortung des Aussenders.
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