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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Die Wut-Gesellschaft"

Ausgabe vom 28. Mai 2011

Wien (OTS) - Viele Industrielle und Manager beklagen lauthals den Stillstand im Land. Von "zu blöd, zu feig" bis zur Überlegung der Gründung einer Wirtschaftspartei spannt sich der Bogen der Wut-Meinungsmacher. Manche Medien und Journalisten spielen dabei willfährig mit - neuerdings werden sogar Wut-Stammtische veranstaltet.

Ein wesentlicher Grund des beklagenswerten Zustands ist aber nicht der Stillstand, sondern die fehlende Transparenz der Machtstrukturen im Land: "Die da oben richten es sich." Der beliebte Satz hat seine Richtigkeit, da genau jene, die von der Politik Offensive verlangen, selber gerne mit verdeckten Karten spielen.

So spielt sich beispielsweise ein Machtkampf zwischen dem Sparkassen-und dem Raiffeisen-Sektor ab, der sich gewaschen hat. Die Städtische unterstützt dabei die Sparkassen. Es wird herumgemauschelt, dass es eine Freude ist. Wer finanziert den Deal mit der "Kronen Zeitung", wenn die WAZ verkauft? Wer finanziert Wohnbauprogramme? Wer finanziert Parteien? Wer sitzt wo in welchem Aufsichtsrat? Wer kommt zum Zug, wenn die öffentliche Hand gerade wieder einmal etwas privatisiert? Wer kann Gesetze am besten beeinflussen?

Der Machtkampf um die besten Plätze wird mit harten Bandagen geführt. Raiffeisen ließ bei der Bankensteuer die Erste ziemlich ausrutschen -Andreas Treichls Institut muss deutlich mehr zahlen als die Giebelkreuz-Banker. Raiffeisen lobbyiert in Brüssel deutlich erfolgreicher als die Sparkassen bei den Eigenkapital-Bestimmungen.

Während die einen von der Volkspartei tatkräftig unterstützt werden, bleibt die Erste außen vor. Treichls Ärger steigt. So sehr, dass er in einem Chat im April zum Kampf um Spareinlagen sagte: "Vor der Sumsi (ein Raiffeisen-Maskottchen, Anm.) fürchten wir uns nicht, die schaut ja eh aus wie der faule Willi."

Tatsache ist, dass es in Österreich einige wenige Machtklumpen gibt, die ihren Einfluss sichern und mehren wollen. Beobachter von außen werden zu Wut-Bürgern, weil sie ohnmächtig zusehen, wie das Land aufgeteilt wird. Mächtige, die sich nicht durchsetzen, werden zu Wut-Bankern und Wut-Managern, weil sie sich gleichfalls benachteiligt fühlen. Nicht nur Korruption oder untätige Politiker nähren also den Frust, sondern auch eingefahrene wirtschaftliche Machtstrukturen, die unverändert bleiben - egal, wer gerade regiert.

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