Leserdebatte

Sind die Reaktionen auf bin Ladens Tod angemessen?

Die Amerikaner bejubeln den Tod von Osama bin Laden - auf gerechtfertigte Art und Weise? - Foto: Reuters

Moritz Schuller hört aus den kritischen deutschen Reaktionen zum Jubel über bin Ladens Tod einen unangemessenen Hochmut heraus. Sind die Reaktionen auf bin Ladens Tod angemessen? Diskutieren Sie mit!

Im Jubel geben sich die Amerikaner wieder einmal zu erkennen: als archaische, rachsüchtige Krieger. „Was ist das für ein Land, das eine Hinrichtung derart bejubelt?“, fragt der WDR-Chefredakteur in seinem Fernsehkommentar nach dem Tod des Terroristen Osama bin Laden – und er ist nicht der einzige. Im affektgestörten Deutschland wimmelt es plötzlich von Großmuftis, die genau erklären können, warum eine Seebestattung unislamisch und somit ein Affront gegen die Muslime dieser Welt ist; von Großethikern, die beweisen, dass man über den Tod des Feindes nicht jubeln darf; und natürlich von Großjuristen, die wie immer alles besser wissen.

„Eindeutig ein Verstoß gegen das geltende Völkerrecht“, sagte Helmut Schmidt bei „Beckmann“. Derselbe Helmut Schmidt, der die Flugzeugentführer in Mogadischu durch die Antiterrortruppe GSG 9 erschießen ließ, bevor sie nach einem Anwalt fragen konnten? Hätte Schönenborn auch damals gesagt: „Mein Verständnis von einem Rechtsstaat ist es nicht, dass Mörder einfach abgeknallt werden“?

Die eindrucksvolle militärische Aktion der Amerikaner, die zum Tod des Terroristen Osama bin Laden geführt hat, ist vielen Deutschen offenbar nicht geheuer. Das Misstrauen lässt sich an den weit verbreiteten Abwehrreaktionen ablesen: Bin Laden hatte für das operative Wirken von Al Qaida gar keine Bedeutung mehr; es gab kein rechtsstaatliches Verfahren; das schnelle Entledigen des Leichnams ist verdächtig; die Rache und der Jubel der Amerikaner über einen Toten ist unzivilisiert; die muslimische Welt hatte sich längst von ihm abgewandt; alles reiner Wahlkampf. Kurz, die Aktion der Amerikaner kam zu spät und war eigentlich überflüssig. Dass die Amerikaner entscheidende Hinweise auf das Versteck bin Ladens zudem durch ihre fragwürdige Befragungsmethode in Guantanamo erhielten, entwertet die Aktion endgültig. Was soll es zu jubeln geben?

Daraus spricht ein Hochmut, alles immer besser und edler machen zu können. Die Deutschen, so klingt es, hätten bin Laden nicht erschossen, sondern bei einem nächtlichen Gespräch, juristisch einwandfrei, zur Aufgabe überredet. Und dann nach Stammheim gebracht. Nein, das wiederum hätte niemand gewollt, wie das Land ja auch in der Vergangenheit auf keinen Fall Guantanamo-Häftlinge aufnehmen wollten. Dieses Problem zu lösen, ist schließlich Sache der Amerikaner. Dieser Hochmut, der nur Schwarz und Weiß kennt, hat mit der Realität eines solchen Einsatzes nichts zu tun.

Zugleich spricht daraus eine geschichtslose Leichtigkeit, die längst das Thema gewechselt hat. Der neue Böse heißt Gaddafi, und gegen den wirkt die amerikanische Fehde gegen bin Laden nur noch nachtragend. Dass die Amerikaner sich dem Risiko eines direkten Einsatzes ausgesetzt haben, um Schaden zu begrenzen, wird bedeutungslos, wenn in Libyen bereits der Tyrannenmord auf der Tagesordnung steht. Gaddafis Sohn, nicht einmal ein Mörder, wurde vor wenigen Tagen aus der Ferne von einer Nato-Rakete abgeknallt. Das ist als Kollateralschaden offenbar diesem Land zumutbar.

Der anti-amerikanische Subtext der unenthusiastischen Reaktion auf die Tötung bin Ladens ist jedoch nicht entscheidend. Bemerkenswert ist vielmehr die Distanz, die daraus spricht. Als ob Deutschland bei diesem Krieg gegen den Terror nicht mehr beteiligt wäre. Als ob es keine Bundeswehr in Afghanistan gäbe. Als ob Mohammed Atta nicht in Deutschland gelebt hätte. Als ob die Deutschen in Dscherba an einer Fischvergiftung gestorben wären. Dabei endet mit dem Tod von Osama bin Laden auch für Deutschland erst das alles andere als ruhmreiche Kapitel vom 11. September 2001. So ungerührt sich Deutschland heute gibt, so tief ist das Land in den Krieg gegen den Terror und seine Ursachen verstrickt. Man muss sich nicht freuen, wenn man das nicht kann, man muss aber auch nicht so schamlos die Hände in Unschuld waschen.

Zehn Jahre lang blieben die Amerikaner Osama bin Laden diszipliniert auf der Spur. Die Deutschen haben diese Zeit genutzt, um sich von der eigenen Verantwortung zu lösen. So sehr, dass die deutschen Beerdigungsexperten, Außenpolitikethiker und Fernsehvölkerrechtler offenbar meinen, nun herablassend Kürnoten verteilen zu können.

138 Kommentare

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    Affektgestört

    Wer ist eigentlich affektgestörter, möchte man fragen?

    Derjenige, der in den USA in naiver Einfältigkeit weiter den alleinigen Hort des Guten, Hehren, Wahren sieht, die Aktionen der Amerkianer kritiklosd bejubelt und sie auch noch mit entsprechender Wortwahl -
    die eindrucksvolle militärische Aktion der Amerikaner
    - in Cyberwar-Playstation- oder Terminator-Manier kommentiert?

    Oder derjenige, der sich eine gewisse kritische Distanz auch der einstigen Supermacht und ihrer Politik gegenüber bewahren will?

    Im übrigen: Was hat denn der Westen, was haben speziell die USA aus 9/11 gelernt, außer, dass sie mit militärischen Mitteln im Irak und in Afghanistan geantwortet haben? Mir fällt da ansonsten nicht viel ein.
      Antwort auf spreeathen vom 03.05.2011 21:31 Uhr

      Wie lustig...

      Oder derjenige, der sich eine gewisse kritische Distanz auch der einstigen Supermacht und ihrer Politik gegenüber bewahren will?

      und sich für diese Distanz mit absoluter Zielsicherheit nun wirklich die, mit Verlaub, dämlichsten Themen aussucht.
      Wie kann man auch nur einem Massenmörder das Handwerk legen. Hat denn denn kein Recht auf freie Wahl und Ausübung seines Berufs?
      Wo er doch, frei nach MP, "ein beliebter Redner und Schöngeist" war. Familienvater, Vegetarier, kann so ein Mann denn einer Fliege etwas zu leide tun? Unbewaffnet...Wer weiss, vielleicht war er sogar Pazifist!

      Wie böse die Amerikaner doch sind: Man darf es nicht vergessen, vor nem Jahr wollten die glatt die Auslieferung eines Regisseurs von der Schweiz, nur weil der möglicherwesie mal n Kind mit Drogen abgefüllt und vergewaltigt hat. Kennen die denn gar keine künstlerische Freiheit???
      Furchtbares Volk.
      Antwort auf andrej vom 04.05.2011 11:27 Uhr

      Das Bin Ladin ein Terrorist/Freiheitskämpfer war

      werde ich nicht bestreiten, wobei für mich der Aspekt des Terroristen der wesentliche ist, da ich von Islam und seiner Verbreitung gar nichts halte.

      Doch seine Schuld an 9-11 ist weder beweisbar noch naheliegend, sondern eine Folge der Propaganda der Bush und nun auch der Obama-Regierung (Change? None)
      Bin LAdin auf CNN von 2001
      Taliban auf CNN von 2001

      Warum haben die die normalerweise mit ihrem "Erfolg" angeben würden dementiert?
      Sie könnten auch Lügen, aber wer sowas organisiert kann sich die Reaktion denken, warum also Lügen und sich als Feigling hinstellen? Nur um die westliche Bevölkerung zu täuschen?

      Ich glaube den Amis und Taliban beiden kein Stück. Jeder von denen macht nur was nicht im Interesse der Welt liegt. Die einen unterdrücken Menschen für den Islam, die anderen für den Zugang zu Öl und Rohstoffen.

      Antwort auf nyarlat vom 04.05.2011 12:20 Uhr

      Nun, Narylat,

      jetzt wo Sie das sagen, möchte ich meiner Lobeshymne an den Mann weiter oben am liebsten noch ein Denkmal hinzufügen.
      Was halten Sie von folgender, von Ihrem Kommentar inspirierter Widmung:
      "Dem unschuldigstem Terroristen aller Zeiten"?
      Antwort auf andrej vom 04.05.2011 11:27 Uhr

      Entwickeln wir uns zurück zu Tieren?

      Diese Abknall-Hurra-Feier kann ich nicht nachvollziehen, in manchen Foren lässt man lachende Smileys springen, als ginge es um ein Computerspiel. Wir sollten nicht vergessen, dass sich Gesellschaften auch wieder zurückentwickeln können, und wir täten ausserdem gut daran, einschließlich der intelligenten Journalisten, zu beobachten, wer am Ende davon profitieren würde.

      __________________

      Der Terrorismus hat eine Ursache in den Veränderungen in der islamischen Welt, und wir werden im Denken soweit eingeschränkt, das wir gar nicht mehr dahin kommen, dass die Veränderungen dort etwas mit uns selber zu tun haben.

      Mit der Aneignung der westlichen Lebensweise (auch dem Konsum von Waren) von Teilen der islam. Welt, werden ja auch die ganzen Widersprüche die diese Lebensweise beinhaltet mit übernommen. Das wäre zum Beispiel auch die Verkommerzialisierung vieler Lebensbereiche. Damit stehen die Muslime sogar vor ähnlichen Problemen wie wir selber, mit dem Unterschied, dass sich die Veränderungen dort weitaus drastischer auswirken, quasi von "Null auf Hundert".

      Was verwundert es da, dass es dort Kreise gibt, die sich dagegen zur Wehr setzen. Es ist doch kein Zufall, dass man vor 10 Jahren ausgerechnet das Welt-Handels-Zentrum der USA, dass ja auch ein Symbol ist, zum Einsturz gebracht hatte.

      Die Ideologie eines radikalen Marktes nimmt keine Rücksicht auf Kulturen, nicht in Europa und auch nicht in Asien. Sie ist simpel und gleicht in meinen Augen weniger einer hohen Stufe gesellschaftlicher Fortentwicklung, sondern eher dem tierischen Prinzip von fressen und gefressen werden.

      Die islamische Welt ist als Absatzmarkt entdeckt, dortige Autokraten lassen sich Wolkenkratzer bauen und mit Waffen beliefern, und verkaufen ihre Bodenschätze. Die westlichen Gesellschaften schicken ihre Politiker, die dafür den Weg ebnen sollen, wohl wissend, dass ihre "Segnungen" in diesen nichtdemokratischen Ländern den Gegensatz zw. arm und reich verschärfen.

      Antwort auf aufwachen2 vom 04.05.2011 14:32 Uhr

      Entwickeln wir uns zurück zu Tieren? 02



      Ist es denn intellektuell zu anspruchsvoll sich darüber Gedanken zu machen? Was serviert man uns denn in dem ganzen Medienrummel? Tagelang wird über die Folgen eines toten Bin Ladens sinniert, von dem doch längst nicht alles abgehangen hatte.
      Antwort auf aufwachen2 vom 04.05.2011 15:10 Uhr

      Zu anspruchvoll

      wohl eher nicht. Man kann nur relativ leicht das Thema verfehlen, wenn man die Sache emotionalisiert. Und die Reaktion ist teilweise hysterisch, wenn Sie mir die Beobachtung erlauben. Die geforderte Gnade gegenüber Terroristen bedeutet natürlich auch immer eine gewisse Grausamkeit gegenüber deren Opfer. Die nehmen viele Leute in Kauf und ich vermute es hat mit Realitätsverlust in Überflussgesellschaften zu tun. Vielleicht auch mit dem Hang zur Wirklichkeitsbeschimpfung die häufig von den Anhänger linker Lebenslügen ausgeht. Wie auch immer, das grundsätzliche Hinterfragen ist richtig und gesund. Nur die Betroffenheitsrhetorik der Berufsempörten nervt, weil sie eine sachliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen erschwert.
      Antwort auf aufwachen2 vom 04.05.2011 14:32 Uhr

      @aufwachen2

      Der Terrorismus hat eine Ursache in den Veränderungen in der islamischen Welt, und wir werden im Denken soweit eingeschränkt, das wir gar nicht mehr dahin kommen, dass die Veränderungen dort etwas mit uns selber zu tun haben.


      Nicht bloß die islamische Welt verändert sich. Und die Welt verändert sich auch auf die Weise, dass sie immer weniger vom sogenannten Westen dominiert wird.

      Der islamische Terrorismus eines Bin Laden scheint mir mehr ein Ausdruck der Westfixierung derjenigen Moslems zu sein, die nicht wahrhaben wollen, dass sich die Welt auch ganz unabhängig vom Westen weiterentwickeln kann, und es auch längst tut.
      Antwort auf andrej vom 04.05.2011 11:27 Uhr

      WEr den großen, geheimen Unbekannten

      nicht lebend fängt, sondern um jeden Preis umbringt, um dessen Wissen für immer, unwiderbringlich zu besetigen, der muss selbst in schrecklichster Weise in die Verbrechen verstrickt sein und deren Aufdeckung fürchten. Mehr kann einem neutralen Beobachter zu dieser unintelligenten Tat nicht einfallen. Es bleibt nur eine Frage offen: Wer profitiert von der Auslöschung des Wissens dieses vorgeblich meistgesuchten Verbrechers. Ist er überhaupt tot, oder taucht er unter neuer Identität mit neuen großen Aufgaben wieder auf? Die einst große Hoffnung im Kampfe gegen die Sowjets, noch im Juli vor dem Attentat mit US-Geheimdiensten in freundlicher Verbindung, nun sofort abgekillt? Die Wege der Geheimdienste sind unergründlich und finster. "Unter falscher Flagge" bei Google finden sich die Antworten. AS
      Antwort auf spreeathen vom 03.05.2011 21:31 Uhr

      Amoralisches Outing

      Es gab Zeiten, in denen man noch entsetzt war über geheimdienstliche "Operationen" mit Todesfolge von Mossad oder CIA u.a. in fremden Staaten. Das Gespür für solche völkerrechtliche Souveränitätsverletzungen ist im Zuge der grenzüberschreitenden "Selbstverteidigung" abhanden gekommen.

      Die unverhohlene Freude der Angela Merkel über den Mord an bin Laden reiht sich ein in ihr zunehmend amoralisches Outing. Der dünne Kommentar Schullers kann doch nicht die Tötung bin Ladens mit der Ermordung Gaddafis Sohns durch die NATO rechtfertigen.

      Rechtsstaat, Völkerrecht? Makulatur, wenn's der Rache und Machterhaltung dient. Erst recht, wenn der waffentechnisch weit überlegene Westen zunehmend Gebrauch seiner, wie er es nennt, "humanitären" Kriegswaffen macht.

      Antwort auf DerJoker vom 04.05.2011 11:33 Uhr

      @ DerJoker

      Die unverhohlene Freude der Angela Merkel über den Mord an bin Laden reiht sich ein in ihr zunehmend amoralisches Outing.


      Es darf vermutet werden, dass diese Freude der Angela Merkel bloß rhetorisch gemeint war, als Höflichkeitsfreude dem Obama gegenüber.

      Dass sie von Freude über die Tötung des Bin Laden sprach, ein Lapsus meiner meinung nach, scheint mir mehr darauf hinzuweisen, dass ihr das Ganze mehr oder weniger gleichgültig, oder sie sich noch keine rechte Meinung gebildet, selbst überrascht ist.
      Antwort auf spreeathen vom 03.05.2011 21:31 Uhr

      Was haben

      die Deutschen gelernt, außer weinerliches Moralisieren von den warmen Plätzen der Zuschauertribüne? Der erhobene Zeigefinger und belehrende Besserwisserei der militanten Pazifisten wirkt auf Außenseiter häufig etwas merkwürdig. Vor allem mit Blick auf die deutsche Geschichte. Und verlogen, wenn man bedenkt wie die gleichen Leute sich verhalten bei anti-Nazi Demos.

      Und natürlich hat die Sache noch einen Beigeschmack, weil die linke Intellingenz grundsätzlich die Massenmörder der Welt verharmlost oder diese gegen deren Feinde in Schutz nimmt. Das hat allerdings Tradition.
      Persönlich "jubele" ich allerdings nicht über den Tod von OBL, sondern empfinde ein nüchterne Zufriedenheit mit dem Verlauf der Ereignisse. Es wird immer Bin Ladens geben. "Jubel" ist daher eine kindische, emotionale Reaktion auf ein solches Ereignis und Rache ist eine Gericht, dass man grundsätzlich kalt servieren sollte. Aus meiner Sicht war er ein Massenmörder und wer aus christlicher Zurückhaltung ein abschließendes Urteil lieber Gott überlassen möchte, sollte zumindest darüber erleichtert sein, dass US-Spezialkräfte zunächst das Treffen zwischen OBL und Gott arrangiert haben.

    Ein Affektgestörter hadert


    „Wir Deutschen sind affektgestört, weil wir uns nicht über die eindrucksvolle militärische Aktion der Amerikaner, bei der ein Mörder einfach abgeknallt wurde„, schreibt der Kommentator, verzweifelt. Herr Schuler möchte anscheinend gerne mit den großen Siegern mitfeiern und aus seiner deutschen Haut fahren. „Unsere unenthusiastische Reaktion auf die Tötung ist wohl einem anti-amerikanischen Subtext geschuldet“, meint er.

    Herr Schuler sollte sich zuerst darüber freuen, dass auch Frau Merkel sich über die Tötung des Herrn Bin Laden gefreut hat. Und dann sollte er vielleicht noch die eine oder andere seiner Aussagen überprüfen.

    Die „eindrucksvolle militärische Aktion“ bestand darin, dass in einem offiziell befreundeten Land, in einer an und für sich friedlichen Stadt, ein wie wir jetzt wissen unbewaffneter Mann mit zwei Kopfschüssen getötet wurde. Das geschah nach mehrmonatiger Beobachtung. Möglicherweise hätte es da andere Möglichkeiten der Festnahme gegeben, für eine Heldengeschichte eignet sich der Fall nicht. Die schnelle Entledigung des Leichnams hat sicherlich den Glauben an die Lauterkeit der Absichten nicht erhöht. Und die Durchführung dieser Maßnahme rechtfertigt auf keinen Fall die Foltermethoden in Guantanamo.

    Der Kommentator irrt, wenn er meint, dass die Kritiker dieses Einsatzes, die Tötung des Sohnes und der Enkel von Gaddafi vom Vortag gut finden würden. Was rechtfertigt diese Annahme? Der Kommentator hat sicher recht, wenn er davon ausgeht, dass es inzwischen bei uns ein großes Misstrauen gibt, gegen die vielen gerechten Kriege und Heldengeschichten der NATO. Die gestrigen Ereignisse haben da die Lage nicht gebessert. Ja, es ist schon schwer in diesem affektgestörten Deutschland, besonders wenn man vor Kampfgeist und Enthusiasmus spürht.


    Geisel-Befreiung ist eine völlig andere Situation

    „Eindeutig ein Verstoß gegen das geltende Völkerrecht“, sagte Helmut Schmidt bei „Beckmann“. Derselbe Helmut Schmidt, der die Flugzeugentführer in Mogadischu durch die Antiterrortruppe GSG 9 erschießen ließ, bevor sie nach einem Anwalt fragen konnten?


    Der Vergleich mit Mogadischu hinkt ja wohl gewaltig.

    Damals hatten Terroristen eine Passagiermaschine mit fast 100 unschuldigen Menschen an Bord in ihre Gewalt gebracht. Nach einer wahren Odyssee und Tortur über mehrere Tage und der Tötung des Kapitäns setzten sie Deutschland ein Ultimatum und drohten mit der Sprengung des Flugzeugs, wenn der deutsche Staat nicht die RAF-Häftlinge in Stammheim freilassen würde.

    In dieser Ausnahmesituation war Helmut Schmidt als Bundeskanzler vor die Wahl gestellt, ob Deutschland sich von Terroristen erpressen lässt oder ob der Versuch einer Geisel-Befreiung gemacht wird, bei dem dann auch die mögliche Tötung von Terroristen in Kauf genommen werden musste.

    Aus meiner Sicht hat Helmut Schmidt damals richtig entschieden. Und er hätte - das hat er betont - bei einem Scheitern auch die Konsequenz gezogen und wäre am nächsten Tag zurückgetreten.
      Antwort auf spreeathen vom 03.05.2011 22:06 Uhr

      Unzulässiger Vergleich

      Die Abwehr einer unmittelbaren konkreten Gefahr für Leib und Leben entweder durch Notwehr in Form der Nothilfe als strafrechtlichen oder durch den sog. finalen Rettungsschuss als polizeirechtlichen Rechtfertigungsgrund zur Rettung von einer Flugzeugladung voller Geiseln mit der Exekution eines Unbewaffneten zu vergleichen hinkt nicht nur, es stinkt schon nach grenzwertig unseriösen Journalismus. Ob die Eleminierung völkerrechtlich gedeckt war, steht auf sehr tönernen Füßen. Moralisch ist sie m.E. deshalb falsch, weil die große Chance durch einen rechtsstaatlichen Prozess (kein Guantanamo-Scheiß o.ä.), die Demokratie als das bessere Staatswesen ggü. der Despotie (Islamischer Gottesstaat) vertan wurde. Für welche Werte steht man denn noch ein, wenn beispielsweise unsere Regierungschefin "Freude beim Tod bin Ladens" empfindet. Wohlgermerkt als Chefin der größten christlich-konservativen Partei in Europa. Das 6. Gebot (für uns Katholen das 5.) sollte ihr als Pastorentochter noch geläufig sein, oder?

      Ich und meine Kollegen treten als als Polizeivollzugsbeamte jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein. Das ist ein Essentiell für jeden Beamten. Eine Freudesbekundung über bin Ladens Tod habe ich in meinem Kollegenkreis noch nicht wahrgenommen.
      Antwort auf eugenious vom 04.05.2011 12:02 Uhr

      Da habe

      ich eben viel gelernt. Ich würde eigentlich geneigt sein, dafür zu plädieren, dass wir Sie und Ihre Kollegen bitten, die Terroristen der Welt allesamt zu verhaften und vor Gericht zu bringen. Sie werden dann auch die Gelegenheit haben, die Sicherheitsvorkehrungen für die doch erheblich Anzahl von Verfahren zu regeln. Außerdem werden auf Dauer die Gefängnisse etwas lebhafter und für Sie neue Einsatzszenarien bieten von denen Sie vermutlich momentan noch nicht mal träumen könnten.

      Ach und was die Lektion in politischer Philisophie anbetrifft, das "Aha-Erlebnis" der muslimischen Welt über unserer Regelorientiertheit und vermeintlich moralischen Überlegenheit dessen, könnten Sie sich ganz doll irren. Es kann gut sein, dass die bei der Zielgruppe nicht ganz so ankommt wie Sie vielleicht vermuten.

      Letzter Punkt: Es freut mich, dass es unter Ihren Kollegen keinen "Jubel" gab. Aber doch hoffentlich Erleichterung? Denn die Sicherheitslage in Berlin wird sich zukünftig nicht auf die polizeiliche Glanzleistungen wie die "friendly fire" Einsätze der vergangenen Woche bei denen "Pitbull" gemeint war aber Kollegen und Opfer getroffen wurden. Oder Pfeffersprayeinsatz gegen "eigene Kräfte". Waren hoffentlich Ausnahmen, weil ich sonst nämlich Ihren Elan und Verhaftungsfreude von hauptberuflichen Terroristen nochmal überdenken sollten.
      Oder machen wir es doch so: Sie kümmern sich um Pitbull und kloppen sich mit diversen Zielgruppen, während Leute die Ahnung haben von Terrorismus, sich um Terroristen kümmern. Was halten Sie von der Arbeitsteilung?
      Antwort auf brianwinn vom 04.05.2011 13:02 Uhr

      Ergänzung

      Sollte lesen:

      Denn die Sicherheitslage in Berlin wird sich zukünftig nicht auf die polizeiliche Glanzleistungen beschränken, wie die "friendly fire" Einsätze der vergangenen Woche bei denen "Pitbull" gemeint war aber Kollegen und Opfer getroffen wurden.
      Antwort auf brianwinn vom 04.05.2011 13:28 Uhr

      @"terrorismusexperten brian winn (1/2)

      Ich würde eigentlich geneigt sein, dafür zu plädieren, dass wir Sie und Ihre Kollegen bitten, die Terroristen der Welt allesamt zu verhaften und vor Gericht zu bringen.


      Falls diese unbewaffnet vor den Läufen deutscher Polizisten erscheinen, können Sie darauf vertrauen, dass der Finger locker an der Handfessel und nicht am Abzug sitzt.

      Sie werden dann auch die Gelegenheit haben, die Sicherheitsvorkehrungen für die doch erheblich Anzahl von Verfahren zu regeln.
      Verstehe ich das richtig, das am Ende der Rechtsstaat keine Rolle mehr spielt, weil die Terroristen aus Gründen der Sparsamkeit exekutiert und binnen 24 Stunden ins Meer gekippt werden? Soviel Zynismus hat(te) nicht mal Thilo Sarrazin als (Ex-)Finanzpolitiker.

      Ach und was die Lektion in politischer Philisophie anbetrifft, das "Aha-Erlebnis" der muslimischen Welt über unserer Regelorientiertheit und vermeintlich moralischen Überlegenheit dessen, könnten Sie sich ganz doll irren. Es kann gut sein, dass die bei der Zielgruppe nicht ganz so ankommt wie Sie vielleicht vermuten.
      Die Missionierung der muslimischen Welt liegt mir so fern, wie der Hindukusch geographisch von Deutschland liegt. Aber unseren Grundrechte- und Wertekanon uns selbst gegenüber als unverhandelbares Essentiell hochzuhalten, da bin ich defenitiv nicht auf dem Irrweg.
      Antwort auf eugenious vom 04.05.2011 23:26 Uhr

      Hoffnung



      Es ist ein gutes Gefühl, hoffen zu dürfen, dass die deutsche Polizei mehrheitlich so denkt und handelt wie Sie.

      Danke.

      Antwort auf brianwinn vom 04.05.2011 13:28 Uhr

      @"terrorismusexperten brian winn (2/2)

      Denn die Sicherheitslage in Berlin wird sich zukünftig nicht auf die polizeiliche Glanzleistungen wie die "friendly fire" Einsätze der vergangenen Woche bei denen "Pitbull" gemeint war aber Kollegen und Opfer getroffen wurden. Oder Pfeffersprayeinsatz gegen "eigene Kräfte". Waren hoffentlich Ausnahmen, weil ich sonst nämlich Ihren Elan und Verhaftungsfreude von hauptberuflichen Terroristen nochmal überdenken sollten.
      Da ist meine Behörde örtlich und sachlich nicht zuständig.

      Sie kümmern sich um Pitbull und kloppen sich mit diversen Zielgruppen, während Leute die Ahnung haben von Terrorismus, sich um Terroristen kümmern. Was halten Sie von der Arbeitsteilung?
      Halte ich gar nichts voll, da das Kerngeschäft meiner Behörde die Terrorismusbekämpfung ist. Weshalb soll man sich um Pitbulls kümmern? Nur weil Sie meinen, so wie Ahnung vom Terrorismus zu haben.
      Meinen Elan verbrachte ich bisher in meiner beruflichen Laufbahn u.a. in der Ermittlungsgruppe, die "ohne Ahnung" die sog. Sauerlandgruppe 2007 hinter Schloss und Riegel brachte. Ich hoffe, die drei Herren Gelowicz , Schneider und Yilmaz kommen ihren Ansprüchen an das Attribut „hauptberuflich“ entgegen.
      Antwort auf spreeathen vom 03.05.2011 22:06 Uhr

      Ja, klar, Spreeathen...

      man darf natürlich nicht amerikanisches Verhalten so einordnen, dass es normal erscheint. Schon klar.
      Die Frage ist, was machen Sie dann daraus:
      1974, originellerweise am 11. September, hätte eine Bundesregierung, in der auch H. Schmidt saß (in der unbedeutenden Funktion "Kanzler"), in der allgemeinen Nervosität nach dem Terroranschlag auf das israelische Team beinahe, uppps, eine völlig harmlose finnische Passagiermaschine vom Himmel geholt:
      http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/271/minuten_vor_dem_abschuss.html

      Klar, das erwähnt Schmidt jetzt nicht, das verstehe ich schon, das würde auch nicht so zu seinem Vortrag passen...
      Antwort auf andrej vom 04.05.2011 12:04 Uhr

      Ja, und?

      Georg Leber hat damals nicht einfach kopflos und in Wildwest-Manier den Befehl zum Abschuss gegeben, nachdem die ersten Meldungen über dieses Flugzeug gekommen waren, sondern die Nerven behalten und ruhig und besonnen reagiert.

      Das Flugzeug hat sich schließlich gemeldet und wurde nicht abgeschossen.

      So wird`s gemacht.
      Antwort auf spreeathen vom 04.05.2011 12:28 Uhr

      Was Sie, lieber Spreeathen,

      so alles aus Lebers Satz
      "Höchstens zwei Minuten später", erinnerte sich Leber, "hätte dieser Vorgang, der sich jetzt wie eine Episode anhört, einen anderen Verlauf genommen. Auch meine eigene Welt hätte drei Minuten später ganz anders ausgesehen. Ich habe in meinem Leben nicht immer so viel Glück gehabt wie an diesem Abend des 11. September 1972."

      rauslesen...
      Leber sagt selber, er hätte nur Glück gehabt. Das muss Sie natürlich nicht stören, denn Sie wissen es natürlich besser als die Beteiligten selbst: Da Leber kein Ami ist, ist er schon genetisch offenbar determiniert gewesen, das richtige zu tun. Wenn ihm aber jemand im entscheidenden Moment nen amerikanischen Pass in die Tasche geschoben hätte, dann hätt er die Maschine sofort abschiessen lassen.
      Etwas simples Weltbild, was Sie da haben, aber die Geschmäcker sind ja verschieden!
      Antwort auf andrej vom 04.05.2011 12:04 Uhr

      Da H. Schmidt

      ja höchstwahrscheinlich abwesend ist, möchte ich die Frage an den anonymen Rot-Clicker richten:
      Darf man sich echauffieren, wenn in Pakistan ein Massenmörder den ersehnten Märtyrertod stirbt, wenn man aus Versehen, bei allem Verständnis für die Lage, beinahe über 100 unschuldige Finnen gekillt hätte?
      Also, n bißchen verlogen, um nicht selbstgerecht zu sagen, ist das schon, oder?

    Affektsteuerung

    Gaddafis Sohn, nicht einmal ein Mörder, wurde vor wenigen Tagen aus der Ferne von einer Nato-Rakete abgeknallt.

    Es ist gerade zwei Tage her, da der Nahost"experte" des Tagesspiegel auf gleich zwei prominenten Zeitungs-Plätzen vermutete, das "Abknallen" des Gaddafi-Sohnes (einschließlich wohl des Kollateralschadens der drei toten Enkel) "durch die NATO" sei vermutlich nichts als eine äußerst fiese Propaganda-Aktion des Gaddafi-Regimes, auf das der Westen nicht hereinfallen dürfe und auch nicht hereinfallen werde.

    Woher der schnelle Meinungswandel? War die Vermutung von Herrn Gehlen auch nur "affektgesteuert" - oder schon "affektgestört"?

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