1. Mai Kreuzbergs CDU lässt sich nicht einschüchtern

Gegen die Gewalt. Kurt Wansner auf dem Myfest in Kreuzberg. Foto: Kai-Uwe Heinrich 

Der christdemokratische Frontmann verteilt erst knappe zehn Minuten lang seine Flugblätter auf der Kreuzberger Oranienstraße – und schon schüttet ihm ein Empörter einen Becher mit Wasser über den Kopf. Willkommen am 1. Mai, kurz nach 14 Uhr, Sonnenschein.

Eigentlich ist rund um das Kottbusser Tor noch alles friedlich, die militanten Linken der Stadt sind im Kampf gegen marodierende Neonazis in Prenzlauer Berg unterwegs. Die CDU wiederum hatte vor einigen Tagen eine eigene Kundgebung in der Oranienstraße angekündigt – gegen Linksextremismus, gegen Gewalt. Nur durch eine gesamtgesellschaftliche Ächtung könne den Militanten der Nährboden entzogen werden, teilten die Christdemokraten mit.

Ausgerechnet hier, wo später zehntausend Linksradikale an der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ teilnehmen werden, steht der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner mit zehn, zwölf Mitstreitern. „Angst habe ich nicht“, sagt er und drückt den jungen Leute auf der belebten Oranienstraße Flugblätter in die Hand. Am selben Tag vor einem Jahr hatte die Polizeiführung einen CDU-Stand auf dem Kreuzberger Myfest untersagt. „Zu gefährlich, wir können die Sicherheit am Stand nicht garantieren“, hieß es damals.

Wansner ist trotz der Wasserbecherattacke dieses Jahr frohen Mutes, ein Zeichen gegen Linksextreme setzen zu können. „Seit mehr als 20 Jahren immer dasselbe, Krawall, Gewalt, Zerstörung“, sagt er. „Das sage ich auch als gebürtiger Kreuzberger.“

Ein bisschen sieht das ganze wie in einem Agentenkrimi aus: Eine mit Tausenden Feiernden gefüllte Straße, in der Mitte ein paar wichtige Zielpersonen – die christdemokratischen Vorkämpfer. Um die CDU-Aktivisten haben sich unauffällig vier Trupps ziviler Staatsschützer postiert. Ab und zu funken die Beamten einander etwas zu. Die gut getarnten Polizisten behalten die CDU-Leute genau im Auge, stehen in den Hauseingängen nebenan und gegenüber. Bei Gefahr könnten sie die konservativen Flugblattverteiler sicher aus dem linken Dschungel herausholen.

Etwa jeder zehnte Wähler in diesem Teil des Bezirks macht sein Kreuz bei der CDU, in der Oranienstraße dürften es noch weniger sein. „Verpisst euch, scheiß Splitterpartei“, sagt ein Passant im Kapuzenpullover. Aber eine junge, rehäugige Frau im engen, weißen Oberteil ruft: „Lass die doch, bei der CDU sind nur harmlose Rentner.“ Wansner, 62 Jahre alt und seit 1979 in der CDU, bleibt gelassen. „Habe ich alles schon mal erlebt“, sagt er. Auch seine jüngere Parteikollegin wirkt ruhig. Sie findet: „Schlimm wird es nur, wenn es undemokratisch wird.“ Hannes Heine

Themen-Alarm
Sie interessieren sich für dieses oder ein anderes Thema und wollen keinen Artikel im Tagesspiegel dazu verpassen? Mit dem Themen-Alarm sind Sie immer aktuell informiert.
Wie funktioniert der Themen-AlarmThemen-Alarm aktivieren

1 Kommentar

Kommentar hinzufügen
  • Kommentare anzeigen nach:
  • (?)

    Debatten
    Ansicht der Kommentare und Antworten in ihren Zusammenhängen.

    Chronologisch
    Ansicht aller Kommentare in zeitlicher Reihenfolge.

    • von eban
    • Sun May 02 12:42:32 CEST 2010
      • Schlecht: 0
      • Gut: 0
    • (0 Stimmen)

    Der gute Herr Wansner

    geriert sich einmal mehr als Vorkämpfer gegen Gewalt und Extremismus.
    Im Prinzip sehr löblich, nur verwundert die Tatsache, dass er das immer nur auf dem Myfest versucht. Ansonsten kommt er in der medialen Öffentlichkeit kaum vor.
    Ein Becher Wasser auf den Kopf ist natürlich kein Argument, sehr viel inspirierender finde ich die Bemerkung der Studentin über harmlose Rentner.
    Da musste ich einfach lachen.

Kommentar schreiben

Videos zum 1. Mai in Berlin
Player mit #related - Videos

1. Mai in Berlin - Tagesspiegel.de

Weitere Themen

Berlins bestes Wetter

Biowetter, Deutschlandwetter und internationales Wetter, Niederschlagsmengen, Reisewetter und aktuelle Satellitenbilder. Behalten Sie das Wetter im Griff!

Tagesspiegel Wetterseite