Fahrradunterricht

Kinder müssen besser geschult werden

Auch kleine Raser müssen sich an Regeln halten. - Foto: Kitty Kleist-Heinrich

Der erste Führerschein: Kinder müssen beim Üben geschult werden – ein kleiner Lehrgang reicht nicht

Niemals losfahren ohne Schulterblick! Was Fahrlehrer ihren Schülern von der ersten Fahrstunde an einschärfen, müssen die Schüler von Karl-Heinz Friedrich genauso lernen: Aufsteigen, über die Schulter schauen – dann erst dürfen sie lostrampeln. »Das sind die Grundlagen«, sagt Friedrich. Seit mehr als 40 Jahren bringt er Schulkindern die Grundregeln der Verkehrssicherheit bei; seit seiner Pensionierung vor sechs Jahren gibt der frühere Verkehrspolizist den Unterricht im Kreuzberger Verkehrsgarten am Wassertorplatz ehrenamtlich.

Hunderte, wenn nicht Tausende Viertklässler sind unter dem Kommando von Karl-Heinz Friedrich über den Verkehrsübungsplatz geradelt.

Alle Schüler der vierten Klasse müssen am Fahrradunterricht teilnehmen – das gilt bundesweit. In drei Doppelstunden lernen die Kinder die wichtigsten Regeln. In der ersten Stunde werden die Basics trainiert:

Auf- und Absteigen, geradeaus fahren ohne zu wackeln, Handzeichen geben, rechts und links abbiegen. In der zweiten Stunde kommen die Verkehrsregeln dran, »aber nur die wichtigsten«, sagt Friedrich: Verhalten an der Ampel, Stoppschild und Vorfahrt achten, rechts vor links, Einbahnstraße. Die Kinder fahren im Slalom, lernen, vor dem Stoppschild rechtzeitig vor der Linie zu bremsen. Die dritte Stunde wird knifflig: »Da kommt alles zusammen«, sagt Friedrich. In einem Hindernisparcours müssen die Schüler das vorher Gelernte anwenden, um Kegel fahren, an der Ampel halten, die Vorfahrt beachten. Nach drei Doppelstunden absolvieren die Kleinen eine Prüfung in Theorie und Praxis, genauso wie später in der Fahrschule.

Die theoretische Prüfung – 20 Fragen zu den Verkehrsregeln – nimmt der Sachkundelehrer in der Schule ab, die praktische Prüfung findet auf dem Übungsplatz oder im Verkehr statt. Die meisten Schüler kämen durch, sagt Friedrich, und seien danach relativ verkehrssicher. »Aber eben nur relativ«, betont er, »es sind schließlich Kinder.« Auf keinen Fall könnten die Schüler gleich nach der Fahrradprüfung alleine mit dem Rad in die Schule fahren.

»Bevor das in Frage kommt, müssen die Eltern mit ihnen unbedingt den Schulweg üben.« Aber statt das zu tun, bringen viele Eltern ihre Kinder lieber mit dem Auto zur Schule. Und die Lehrer haben im Unterricht kaum Zeit, die Kinder zu mehr Mobilität zu ermutigen. Experten kritisieren seit langem, die Mobilitätserziehung von Kindern gehe nicht weit genug.

Die Klagen: Viele Kinder werden immer unsportlicher, immer dicker – und immer ungeschickter in ihrer Koordinationsfähigkeit. Das hat Folgen: Etwa 60.000 Verkehrsunfälle von Kindern auf dem Schulweg verzeichnet die gesetzliche Unfallversicherung pro Jahr, die Hälfte davon mit dem Fahrrad.

Friedrich, der pensionierte Verkehrspolizist, hat Generationen von Kindern auf dem Fahrrad erlebt. Er sagt: »Die Aussage, die Kinder würden immer unbeweglicher, stimmt.« Friedrich hat beobachtet, dass viele Kinder nicht auf einem Bein stehen können – weil sie die Balance nicht halten können. »Wer aber nicht auf einem Bein stehen kann, kann auch nicht Fahrradfahren «, sagt er. Also lässt er Kinder, die noch nicht Radfahren können, erst einmal auf einem Bein stehen, bis sich ihr Gleichgewichtssinn verbessert. »Aber kein Kind lernt in nur drei Stunden das Fahrradfahren.«

Der 66-Jährige sieht vor allem die Eltern in der Pflicht. Andere Experten fordern, die Schulen müssten viel mehr als bisher mit den Schülern trainieren, sie zur Bewegung motivieren und dazu, den Schulweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.

Das Umweltbundesamt hat zu diesem Zweck die Broschüre »Nachhaltige Mobilität in der Schule« herausgegeben, als Leitfaden für Lehrer und Erzieher. Der Schulweg zu Fuß oder mit dem Rad, heißt es darin, schule nicht nur psychomotorische Fähigkeiten, sondern auch das räumliche Vorstellungsvermögen

4 Kommentare

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    Nachhaltige Mobilität in der Schule

    Bestimmt auch ein super Stück Papier.

    60.000 Kinder-Verkehrsunfälle pro Jahr, 30.000 mit dem Rad, viele sind zu dick, und, und ....

    Schön das jetzt das Umweltbundesamt eine Broschüre als Gegenmittel auf den Markt bringt. Auch möglich, dass demnächst schärfere Gesetze verabschiedet werden, Fettsucht verboten, Unfall nicht erlaubt, wer nicht auf einem Bein stehen kann, bekommt eine Strafarbeit nach der Schule, z.B. "ich darf nicht auf zwei Beinen stehen" muss dann 200 Mal in`s Schreibheft.

    " Nachhaltige Mobilität" für Schüler bedeutet auch, dass auch genügend Sportlehrer an den Schulen sind, die Turnhallen überall genutzt werden könnten, Unterrichtsausfall nicht unter Pseudostatistiken des Berliner Schulsenats vergraben werden,
    und das auch Polizisten den Verkehrsunterricht auch wieder durchführen.
    Also bitte nicht auch noch immer der Vertretungslehrer für die beiden erkrankten KlassenlehrerInnen.
    Ich habe das Gefühl, dass hier viel gespart und, anscheinend aber noch genug Geld für geduldiges Papier vorhanden ist.

    Bitte etwas mehr Mobilität in die Köpfe der politisch Verantwortlichen.

    nachhaltige Mobilitätserziehung

    schöner Begriff!

    Da sehe auch ich erst einmal die Eltern in der Pflicht: Sie sollten ihre Kinder nicht zu der Abhängigkeit vom Automobil erziehen, in die sich viele von uns Großen begeben haben. Kinder sind nicht mit vier Rädern unter dem Hintern zur Welt gekommen!

    Eltern sollten die Kinder von klein auf ans zu-Fuß-gehen gewöhnen, auch wenn es zunächst länger dauert als sie durch die Gegend zu fahren.

    Eltern sind es, die die Kinder von klein auf beim Radfahren darauf trainieren müssten, an jeder Bordsteinkante von Rad abzusteigen und das Rad (oder den Roller) über die Straße zu schieben (das ist übrigens auch in der StVo so vorgeschrieben). Bis die Kinder in den Schule den Radfahrunterricht bekommen, ist das viel zu spät!

    Die Eltern sind es, die eine Grundschule in mit dem Rad erreichbarer Nähe suchen sollten, einen Sportverein in der Nähe, dann haben die Kinder auch Freunde, die quasi um die Ecke wohnen und die sie selbständig besuchen können.

    Das sind übrigens auch Investitionen in die Zukunft:
    Man wird nicht Mamataxi!

    Übrigens: Ich hab das mit drei Kindern, die alle zusätzlich Musik und Sport betreiben, ziemlich gut durchgehalten - war allerdings nicht allein erziehend (in dem Sinne, dass ich mich mit anderen Eltern zusammengetan habe), aber immer berufstätig.

    Betreiber in Tempelhof-Schöneberg insolvent

    Leider wird sich dieses Problem zumindest im Bezirk Tempelhof-Schöneberg nicht so schnell lösen lassen, da 3 der Verkehrskindergärten von einer Betreiberfirma unterhalten worden sind, die am Insolvenz angemeldet hat. Somit ist im Moment nicht gesichert, dass die Kinder ihre Fahrradprüfungen ablegen können. Die Räder sind in einem schlechten Zustand und werden nicht mehr gewartet.
    Alles auf die Schultern der Lehrer, Erzieher und auch Eltern abzuwälzen ist keine Lösung, zumal das Ablegen der Fahrradprüfung in der 4.ten Klasse Lerninhalt des Rahmenplans ist und in die Benotung zumeist des Sachkundeunterrichtes einfließt.
    Wird nun wieder kostenneutral gehandelt?

    Fahrrad ist nicht zu integrieren

    Was nutzen hier die erworbenen Fähigkeiten der Kinder im Bezug auf Radfahren wenn sie sich in den so unterschiedlichen und unüberschaubaren Verkehrsdschungel integrieren sollen und es bei bestem Willen nicht können. Das fällt schon den erwachsenen Radfahreren schwer.
    Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass Fahrradverkehr nicht zu integrieren ist. Es sind getrennte Sonderwege (ein Begriff aus der StVO) durchgängig notwendig und nicht nur hier und da. Fahrräder gehören weder auf den Gehweg noch auf die Fahrbahn mit Kraftfahrzeugen. Das Problem dieser Verkehrsart ist die unterschiedliche Geschwindigkeit zu Kraftfahrzeugen und Fußgängern und das nicht gesicherte Spurhalten.
    Meine Forderung ist die Trennung des Fahrradverkehrs vom übrigen Verkehr. Jeder Kompromiss überfordert alle Verkehrsteilnehmer.

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