Das wird nicht einfach für Ägypten. Weder politisch noch wirtschaftlich. Wer jetzt hofft, dass westliche Demokratie rasch Einzug hält am Nil, wird enttäuscht sein. Eine faire, transparente Gesellschaft entsteht nicht über Nacht in einem Land, das seit Jahrtausenden auf Kommandos von oben hören muss.
In der Wirtschaft nicht viel anders. Man darf jetzt nicht blauäugig sein. Der Aufstand war getrieben von Verzweiflung über die wirtschaftliche Not. Übergroß ist die Hoffung, dass nun die Wirtschaft aufblüht und die Menschen an zukunftsfähigen Arbeitsplätzen Geld verdienen. Aber erst mal wird es anders kommen.
Der revolutionäre Wirrwarr im Lande wird zunächst zu mehr Unordnung führen.
Kurzfristig werden noch zwei bis drei Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Das wird die politische wie die ökonomische Stimmung nicht verbessern. Im Gegenteil.
Noch ist keineswegs entschieden, ob die marode Wirtschaft des Landes tatsächlich liberalisiert wird und dadurch einen rasanten Aufschwung nehmen kann. Genauso gut ist vorstellbar, dass das Land, nun im Griff von Militärs, die allgemein nicht im Verdacht großer Liberalität stehen, zum Protektionismus greift, um die nationale Wirtschaft zu schützen. Wer wird investieren, solange nicht klar ist, welche Bewegungsrichtung die Entwicklung des neuen Ägypten einschlägt? Wer wird ein Unternehmen aufbauen, wenn er die Regeln der neuen Ordnung nicht kennt?
Dazu kommt: Das Ende des Herrschers ist ja nicht das Ende des herrschenden Systems. Mubarak war nicht der einzige Despot, er war nur „primus inter pares“. Es fehlt ja nicht an Reichtum am Nil. Er ist nur extrem ungleich verteilt.
Wie immer bei großen Umbrüchen wird es Veränderungsgewinner geben, aber eben auch Veränderungsverlierer. Die Stützen des Systems leben prächtig – und sie haben keinesfalls ihren Rücktritt erklärt. Sie werden in den kommenden Monaten Sorge tragen, dass alles beim Alten bleibt. Die wirtschaftliche Transformation, wenn sie denn kommt, wird mit Sicherheit weitaus zäher verlaufen als die politische.
Ägypten braucht Unterstützung, damit es aus dem Schlamassel herauskommt. Die muss auch – und besonders – aus Deutschland kommen. Warum? Weil die Ägypter uns schätzen. Die Frage ist nur: wie?
Kurzfristig: 1,2 Millionen Deutsche tanken jährlich in Ägypten Sonne. Doch die großen Bettenburgen auf dem Sinai und am Roten Meer stehen jetzt leer. Täglich verlieren die Ägypter hier rund 50 Millionen Dollar. Tausende Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt. Das wird erst aufhören, wenn das Auswärtige Amt seine Reisewarnungen entschärft. Sicherheit hat Vorrang, klar. Doch die Sicherheit im Lande wird nicht größer, wenn Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung anschwellen und Unternehmen pleitegehen. Zudem: Fluglinien werden Wochen brauchen, um wieder geregelten Charterverkehr aufzunehmen. Hier ist Eile geboten.
Am Tag vor dem Fall Mubaraks arbeiteten zwar schon wieder 80 Prozent der großen Unternehmen, die lange dicht waren. Die Industrie fuhr hohe dreistellige Millionenverluste ein. Hier muss sich unsere Wirtschaft mit der Bundesregierung schnell darauf verständigen, dass deutsche Unternehmen sicher produzieren und expandieren können. Das geht über Kreditgarantien. Aber auch über gezielte Entwicklungsprogramme, über die man sich mit den neuen ägyptischen Managern schnell verständigen muss. Hier eröffnen sich großartige Perspektiven.
In den Fabriken von BMW, BASF etc. wird seit langem gezeigt, dass Ägypten auf Weltmarktniveau produzieren kann. Das Zauberwort lautet: „lokale Wertschöpfung“. Die bringt schon mittelfristig mehr Stabilität als Rüstungskäufe in einem Land, das mit rund 90 Millionen Einwohnern demografisch explodiert.
Am wichtigsten sind jetzt gezielte Maßnahmen zum Aufbau von Institutionen zur Entwicklung hin zu Demokratie und prosperierender Wirtschaft. Die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) beispielsweise muss gemeinsam mit den neuen Herren am Nil in Ministerien, Kammern und Verbänden an der Entrümpelung von Bürokratie und Intransparenz arbeiten. Funktionierende Verwaltungen entstehen nicht von selbst. Da gibt es gelungene Beispiele. In Nordafrika hat die GIZ schon außerordentlich Positives geleistet, um erneuerbare Energien zu fördern. Hier muss jetzt umfassender gedacht und agiert werden.
Die ägyptischen Reformer werden alles unterstützen, was gutem Regierungshandeln nützt. Hilfe beim Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen ist zwingend. Die deutsche Ausbildung, beruflich wie akademisch, muss als lohnendes Exportgut verstanden werden. Unsere Wirtschaft, ihre Verbände, Kammern und Nichtregierungsorganisationen müssen sich gemeinsam mit der Bundesregierung auf rasche, praktische Hilfe zur Entwicklung der Grundlagen verständigen, auf denen das neue Ägypten ruhen soll.
Sicherheit wird nur da herrschen, wo die Gesellschaften stabil sind. Politisch wie wirtschaftlich.
Der Autor ist Unternehmensberater und Mitglied des Präsidiums der Arabisch- Deutschen Handelskammer Ghorfa.
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3 Kommentare
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Voraussetzung des Tourismus
in Ägypten und Tunesien ist bisher die extreme Ausbeutung derjenigen gewesen, die im Tourismus beschäftigt gewesen sind. In Tunesien ist nicht zuletzt diese Tatsache ein Grund für die Revolte gewesen. In Ägypten haben sich am Tourismus die Offiziere der Armee dämlich verdient. Die Bepfründung mit touristischen Einrichtungen ist dort nämlich das Versorgungwssystem der korrupten Offizierskaste gewesen.Der obige Aufruf kommt also, hinter der krokodilstränigen Fassade, einer Aufforderung gleich, das Mubarak-System weiter zu stützen.
@almansour
So, Sie wollen also am liebsten jede Zusammenarbeit auf jeder Ebene mit Ägypten einstellen, weil alles andere angeblich das System Mubarak ja stützen würde. Na herrlich, und wie stellen Sie sich vor sollte das den Ägyptern nützen?Tourismus ist erst einmal eine Einnahmequelle. Wie diese Einnahmen verteilt werden, ist eine Frage der lokalen Gesellschaft. Keinem geht es besser, wenn die Einnahmen völlig weg brechen, ob es allen besser geht, wenn sie wieer kommen, das müssen die Ägypter entscheiden. Dafür müssten sie jedoch erst mal die Chance kriegen, wo nichts ist, kann nichts verteilt werden.
Wenn Sie konstruktive Ideen haben, gerne, aber hier einfach jede Einnahmequelle zu kritisieren als "Systemstützend", das ist geradezu fanatisch und vor allem vollkommen blind für die Lage des Volkes. "Brot und Spiele" als Ablenkung, also nehmt ihnen alles Brot udn alle Spiele, damit es ihnen besser geht, sie verhungern wenigstens bewusst, so einen kontraproduktiven Nonsens sollte man sich wirklich sparen wenn man eine lösungsorientierte Diskussion führen will.
Der Tourismus ist ein Minusgeschäft.
Der erforderliche Aufwand, die Infrastruktur zu errichten und am Laufen zu halten, ist größer als der Ertrag. Am Beispiel Tunesien ist die4ses längst nachgewiesen. Tourismus ernährt in solchen Ländern nur eine kleine Oberschicht derjenigen, die die Verfügungsgewalt über die entsprechenden Einrichtungen haben.Nur der langfristige Aufbau einer differenzierten Wirtschaft kann Ägypten entwickeln, andernfalls bleibt eine elendige Abhängigkeit.