Rettungskarten Hilfe zur Fremdhilfe

Das hilft. Dank der Rettungskarte kann die A-Säule dieses Fiesta leichter aufgeschnitten werden, weil die Feuerwehr Hinweise zur Karosserie berücksichtigen kann. Foto: dapd - Foto: dapd

Weil die Karosserien immer besser werden, wird die Bergung von Unfallopfern schwieriger: Der ADAC hilft mit Rettungskarten.

Nach dem Frontalzusammenstoß ist das Unfallauto völlig demoliert, die Karosserie ist verbogen und die Fahrertür lässt sich nicht öffnen. Eine junge Frau sitzt mit schweren Kopfverletzungen eingeklemmt im Inneren. „In diesem Fall hier müssten wir das Auto aufschneiden, um die Frau zu bergen“, sagt Feuerwehrmann Michael Hoh, der den simulierten Rettungseinsatz auf dem Parkplatz des Rostocker Brandschutz- und Rettungsamtes leitet. „Aber sehen Sie sich das Auto an, der Typ ist kaum noch erkennbar, wo sind hier Airbags, Batterie und Tank, wo sind die Türen extra verstärkt, wo setzt man am besten die Schere an?“ In diesem Fall haben es die Retter leicht. Hinter der Sonnenblende klemmt eine sogenannte Rettungskarte, die mit exakten Fahrzeugangaben den besten und sichersten Weg zum Öffnen des Autos zeigen.

Erst seit einigen Wochen werden diese fahrzeugspezifischen Rettungskarten über den Automobilclub ADAC angeboten. „Rund 1,8 Millionen der kostenlosen Karten sind in Deutschland schätzungsweise schon ausgegeben worden, 44 Millionen Fahrzeuge sind insgesamt zugelassen“, sagt Matthias Schmitting, Sprecher des ADAC Hansa. Die Nachfrage sei riesig, auch wenn es die Infoblätter noch nicht für alle gängigen Automarken gebe. „Vor allem bei älteren Fahrzeugtypen haben wir noch Bedarf, die Hersteller reagieren aber.“ So simpel die Rettungskarten anmuten, sind sie im Notfall eine große Hilfe für die Helfer. Je neuer das Auto, desto länger dauert die Personenrettung, sagt Hauptbrandmeister Hoh, der seit 26 Jahren bei solchen Unfällen im Einsatz ist. Bei wirklich jedem Auto seien die Ausstattung und die Bauweise anders. Stehen die Männer mit schwerer Technik dann vor dem Crash-Auto, zählt jede Minute zur Rettung der Insassen. „Wir brauchen dann mitunter erst eine Weile, um mit der Schere den richtigen Punkt an der Karosserie zu greifen“, sagt Hoh. Auch die Suche nach der Batterie, die vor dem Aufschneiden abgeklemmt werden muss, sei oft mühsam. Fließt aber weiter Strom, kann das die Airbags auslösen. Für den Verletzten im Inneren des Autos hätte das fatale, vielleicht lebensbedrohliche Folgen.

Im simulierten Rettungseinsatz hat die Fahrerin mit einem Sticker an der Windschutzscheibe signalisiert, dass an ihrer Sonnenblende das gefaltete DIN-A-4-Blatt mit übersichtlichen Fahrzeugangaben klemmt. „Dieser Platz ist für uns genial“, sagt Hoh. Der ADAC habe sogar bei mehreren Crashs hintereinander nachgewiesen, dass die Stelle oberhalb des Fahrersitzes schnell von außen erreichbar und selten bei einem Unfall zerstört wird. In diesem Fall hat der Rettungsarzt, der sich über eine der hinteren Türen Zugang zur Verletzten verschafft hat, die Rettungskarte den Helfern nach draußen gereicht. Während er Erste Hilfe leistet, schneiden die Feuerwehrmänner Fahrertür und Dach vom Unfallauto. Erst dann wird die Verletzte unter dem Lenkrad hervorgezogen und auf einer Trage schräg nach hinten aus dem Auto gehievt. „Hätte sie schwere Rücken- oder Halsverletzungen, wäre das die sicherste Bergung", erklärt Hoh.

Künftig sollen bereits die Hersteller ihre Autos mit diesen Rettungskarten ausliefern, sagt Ingo Meyer, Vorsitzender des ADAC Hansa. Ein erster Konzern habe bereits reagiert. Es sei paradox, aber die immer sichereren Fahrzeugkonstruktionen verzögerten die Rettung der Insassen nach einem Crash. „Der Segen der stabilen Fahrgastzelle wird zum Fluch der Retter", sagt Meyer. Zwar habe sich die Zahl der Unfalltoten in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren auf rund 4.500 halbiert, jedoch dauere die Bergung von Verletzten im Schnitt deutlich länger. „Die Goldene Stunde, die 20 Minuten Alarmierung, 20 Minuten Rettung und 20 Minuten Abtransport beinhaltet, gerät in Gefahr“, sagt Meyer.

Laut Statistik gelingt die Rettung von Schwerverletzten nach Autounfällen aus Fahrzeugtypen mit Baujahr 1990 bis 1992 in 40 Prozent der Fälle in weniger als 50 Minuten. Sind die Autos jedoch Baujahr 2005 und jünger, verlängert sich die Zeit auf mehr als eine Stunde. „Die Rettungskarte kann diese Zeit verkürzen, definitiv“, sagt Feuerwehrmannn Hoh. Unter rettungskarte.de kann man sich die Rettungskarte fürs eigene Auto gratis herunterladen. Sie muss in Farbe ausgedruckt werden, da viele Hinweise farblich markiert sind. dapd

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    • von renastraet
    • Sun Nov 14 09:36:33 CET 2010
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    zentral und amtlich speichern

    was spricht noch dagegen, rettungsdaten des fahrzeugs und des halters amtlich einzutragen und - je nach nachrüstung des fahrzeugs - aktualisierbar zu speichern und für den eingesetzten rettungsdienst vor ort an der unfallstelle per internet abrufbar zu machen?

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