In der „New York Times“ wirft Maureen Dowd Dylan „Ausverkauf“ vor. Unter der Überschrift „Blowin’ in the Idiot Wind“ schreibt sie: „Er sang sein zensiertes Set, nahm einen Haufen kommunistischer Kohle und ging.“ In eine ähnliche Richtung zielt Keith B. Richburgs Artikel in der „Washington Post“, der bemängelt, dass der 69-Jährige keine Nummern ins Programm nahm, „die auch nur den leisesten Hauch von regierungskritischen Obertönen“ hatte. Die Kommentatoren vermissten vor allem die Protestsongs „Blowin’ In The Wind“ und „The Times They Are a-Changin’“.
Bob Dylan, der bereits im letzten Jahr in Peking auftreten wollte, aber keine Genehmigung erhielt, musste laut Branchenmagazin „Billboard“ für das Konzert am 6. April beim chinesischen Kulturministerium vorab seine Setlist einreichen und zusichern, sich daran zu halten.
Diese Vorgabe erfüllt der Musiker in der Pekinger Arbeitersporthalle. „Es erstaunt mich, dass er tatsächlich seine Setlist abgegeben haben soll“, sagte BAP-Sänger Wolfgang Niedecken dem Tagesspiegel. Der 60-Jährige hat zahlreiche Songs von Dylan ins Kölsche übertragen und ist ein großer Kenner von dessen Werk. BAP spielten 1987 als eine der ersten westlichen Rockbands in China. „Uns wurde damals überhaupt nichts vorgeschrieben. Allerdings hatten wir es auch mit offeneren Funktionären zu tun. Und es war vor den Ereignissen am Platz des Himmlischen Friedens.“
Niedecken weist darauf hin, dass Bob Dylan auch schon vor dem Papst und 1987 in der „gerade verglühenden DDR“ gespielt habe – ebenfalls ohne ein kritisches Wort zu sagen. Das Konzert in Peking könne er ihm nicht verübeln. „Warum soll er nach China fahren und den Zampano spielen? So ist er nicht, er ist viel subtiler. Er sagt ja selber: ,It’s all in the songs’.“
Tatsächlich gibt es etwa in der Eröffnungsnummer „Gonna Change My Way Of Thinking“ einige Zeilen, die kritisch verstanden werden können: „Gonna change my way of thinking/ Make myself a different set of rules/Gonna put my good foot forward/And stop being influenced by fools“, singt Dylan darin. Auch der Text von „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ lässt Interpretationsspielraum.
Die Rolling Stones bekamen vor fünf Jahren übrigens ebenfalls Vorgaben von der chinesischen Regierung: Ihnen wurde untersagt, „Brown Sugar“, „Honky Tonk Woman“, „Beast of Burden“ und „Let’s Spend the Night Together“ zu spielen. So mussten die alten Staatsfeinde Sex, Drogen und Rock’n’Roll draußen bleiben.
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4 Kommentare
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Trust him!
Wenn Diktatoren glauben mit dem Aussortieren bestimmter Liederirgendwas verhindern zu können,dann ist das doch prima.Laßt sie in dem Glauben.Das ist ein Zeichen,dass sie den Knall nicht gehört haben.Wie gesagt Dylan ist viel subtiler und er macht das nicht zum ersten Mal.Ich glaube man kann sich darauf verlassen.Seine Saat wird schon aufgehen.Mit der Brechstange hätte er dort keine Chance.
ist denn das so schwer??
seine mittel sind andere als die eines parteifunzionärs, berufspolitikers, attitüdenjournalisten etc.und natürlich: nichts bleibt wie es ist.
eigentlich doch ganz einfach...
Unglaubwürdig
Und wer vorm Papst aufgetreten ist, braucht keine Protestsongs mehr zu singen.Die alte Leier
Dylan wird doch schon seit über 40 Jahren vorgeworfen, nicht oft genug "Blowin' in the Wind" und "The Times they are a-changin'" zu singen, und seit über 40 Jahren verweigert er sich diesen Rufen. Er war nie bloß ein Protestsänger, das wollte er auch nicht sein. Er ist auch niemand, der mit dem Vorschlaghammer auftritt, sondern seine Kritik subtil verpackt.Und wie kommt Herr Richburg darauf, dass es in Dylans Set keine "regierungskrtischen Obertöne" gegeben habe? Es ist doch sehr bezeichnend, dass er ausgerechnet mit "Gonna change my way of thinkin'" begonnen hat, schließlich heißt es dort:
Außerdem hat er doch einen seiner klassischen 'Protestsongs' gespielt: "A hard rain's a-gonna fall". Einige Zeilen passen durchaus sehr gut zum heutigen China:
Nur so als Beispiel. Ich denke, dass das Publikum dies im Gegensatz zu so manchem Kritiker schon verstanden haben wird. Man darf auch nicht vergessen, dass Dylan durch den Verzicht auf "Blowin' in the wind" etc. es seinen Fans überhaupt erst ermöglicht hat, ihn live zu sehen. Das ist vielleicht das Wichtigste.