SPD in Rheinland-Pfalz

Gerupft, aber selbstsicher

Im Mainz gefeiert: Kurt Beck - Foto: imago stock&people

Die Sozialdemokraten mussten bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz herbe Verluste einstecken, der Vorsprung vor der CDU war knapp. An Selbstbewusstsein hat die Landes-SPD trotzdem nicht eingebüßt.

In Berlin hat Kurt Beck am Montagvormittag einen Satz nicht gesagt bei der Entgegennahme des üblichen Blumenstraußes. Es ist ein Satz, der ausdrücken soll, dass er, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, seit knapp 17 Jahren im Amt, 62 Jahre alt, trotz des Absturzes um zehn Prozentpunkte noch immer eine große Nummer ist unter den Sozialdemokraten im ganzen Land. Er hatte den Satz, um den es geht, am späten Sonntagabend im engen Kreis seiner Parteifreunde gesagt, er lautete: „Wir hätten uns ein besseres Ergebnis gewünscht, aber angesichts der 25 Prozent der SPD im Bund ist das immer noch ein sehr gutes Ergebnis.“

Der Satz soll auch sagen: Ihr da in Berlin macht euren Job nicht gut, ich hier unten im Südwesten halte aber die rote Fahne hoch.

Nein, Kurt Beck denkt gar nicht daran, das Ergebnis, nur knapp vor der CDU, gegen sich zu interpretieren. Er war schon immer schlecht darin, Fehler bei sich zu suchen. Und so erlebte man in Mainz einen Beck, 2008 als Bundesvorsitzender in Berlin noch grandios gescheitert und von den eigenen Genossen fortgejagt, der nur wenige Stunden nach den ersten Prognosen eine Koalition mit den Grünen, die erste in Rheinland-Pfalz, fest in den Blick nahm.

Auf der SPD-Wahlparty hatten Becks Anhänger das Bier noch nicht leer getrunken, da war Beck nach einem kurzen Auftritt gegen 22 Uhr schon wieder verschwunden und tauchte plötzlich mit einigen Ministern und Vertrauten auf der grünen Wahlfete auf. Er bestieg die Bühne, hielt in Gesellschaft des sichtlich geschmeichelten Grünen-Spitzenduos Eveline Lemke und Daniel Köbler eine Rede für die, wie Beck charmant anmerkte, „lieben Kollegen, das darf ich jetzt so sagen“. Der Ball habe für die Grünen politisch zwar auf dem Elfmeterpunkt gelegen, „aber man muss ihn auch erst einmal reinmachen“, rief Beck den mutmaßlichen neuen Koalitionspartnern zu und bot ihnen unter tosendem Beifall eine „respektvolle Zusammenarbeit“ an.

Genau so, wie Beck sich an diesem Abend verhielt, funktionierte sein System in Rheinland-Pfalz bisher. Beck kümmert sich, Beck ist allgegenwärtig, Beck bestimmt, wo es lang geht. Man wird sehen, wie die jugendlichen Grünen mit ihrem stolzen und politisch eitlen Landesvater zurechtkommen. Eveline Lemke machte gegenüber dem Tagesspiegel deutlich, „dass wir uns schon auch zurücknehmen können“. Man wird Beck nicht ärgern wollen. Der aber wird sich daranmachen, einem Bündnis vorzustehen, Rot-Grün, das bei den nächsten Bundestagswahlen in Berlin den Machtwechsel bringen soll.

Im Wahlkampf haben die Spitzengenossen in Rheinland-Pfalz gemault, dass die Bundesspitze ihnen nicht wirklich helfe, nicht, weil sie nicht wolle, sondern „weil von denen einfach keiner zieht, Gabriel nicht, Steinmeier nicht, und sonst ist ja niemand mehr da mit Ausstrahlungskraft“. Hamburgs neuer Erster Bürgermeister Scholz sei noch das beste Zugpferd gewesen. Beck weiß, dass es nicht mehr viele Möglichkeiten gibt, sich bundesweit zu profilieren, aber er hat den Ehrgeiz, es zu tun. Das ist der Grund, warum er die vollen fünf Jahre im Amt anstrebt.

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