Fäuste prasseln auf den Jungen im Kapuzenpullover ein. Nach elf, zwölf Schlägen geht er zu Boden, einer der drei Angreifer tritt ihm gegen den Kopf. Aus einem Riss an der rechten Augenbraue fließt Blut. Die jugendlichen Schläger rennen in die Dunkelheit zurück, aus der sie den Jungen – „wegen seiner großen Fresse“ – rausgeprügelt hatten. Willkommen im Mauerpark, Südseite, Eberswalder Straße, in der Nacht zum Sonntag.
Aggressive Sprayer, vereinzelt ein paar friedliche Punks, dazu viele Einwandererkinder im Stimmbruch hängen schon auf dem nicht mehr grünen Rasen rum, als die Sonne noch scheint. Die meisten kommen aus den Weddinger Mietsvierteln die Straße runter. Einige kaufen Hasch bei den Dealern, die am Hang des Jahnstadions auf Kunden warten. Andere pfeifen Mädchen hinterher. Später lodern Lagerfeuer, Bierflaschen werden weitergereicht. Immer wieder fallen einzelne Cliquen übereinander her, bis Blut fließt. Dennoch scheinen sich hier alle wohlzufühlen, ein Spielplatz für hunderte rauflustige Teenager. Und als ein gemeinsamer Gegner mit Scheinwerferlicht vorfährt, eint das die zersplitterte Parkjugend: Ein paar uniformierte Beamte lenken ihre Polizeiautos vorsichtig im Schritttempo durch das zehn Hektar große, stockdunkle Gelände.
Nun werden Mülleimer auf den Fahrweg gezogen, von den Hängen rufen 14-Jährige: „Verpisst euch!“ Die Teenager haben Flaschen in der Hand. Im Mauerpark kümmern sich die feierlustigen Schüler nicht um die Vorschriften: kein Müll, kein Lärm, kein offenes Feuer. „Eigentlich müssten wir das durchsetzen, drücken aber permanent beide Augen zu“, sagt ein Polizeibeamter. Er kommt aus der nur einen Bierflaschenwurf entfernten Wache in der Eberswalder Straße des 15. Abschnitts. Dort ist man für den dunklen Park zuständig, der wegen des jugendlichen Grölens aber trotz fehlender Laternen sehr lebendig wirkt. „Gegen diese Horden möchte ich nicht mit einer Handvoll Kollegen angehen“, sagt der Polizist.
Rund um den Mauerpark wurden seit Jahresbeginn 200 Anzeigen erstattet: Körperverletzung, Raub, Bedrohung, Sachbeschädigung, Drogen. Aus dem Polizeipräsidium im fernen Tempelhof heißt es diplomatisch: „Der Mauerpark wird regelmäßig, tagsüber und nachts, bestreift. Die Zahl der eingesetzten Beamten wird situationsbedingt angepasst.“ Was „situationsbedingt“ bedeuten kann, zeigte sich am deutlichsten vor einer Woche. Eine ganze Hundertschaft musste anrückten: Mehr als 1500 junge Leute hatten sich im Park versammelt – Lagerfeuer, Bierkästen, Schlägereien inklusive. Flaschen flogen, Festnahmen folgten. An diesem Wochenende bleibt es meist bei Platzverweisen, die drei in die Dunkelheit geflohenen Schläger werden nicht gefasst.
Die partyähnlichen Treffen werden auch im Internet angekündigt. Dazu kommt ein junges Laufpublikum, dem in den Szenebars in Prenzlauer Berg und Mitte keine Cocktails serviert werden, weil es zu jung ist – und zu wenig Geld hat. Im Mauerpark feiern Jugendliche unter freiem Himmel. Kein Eintritt, keine Türsteher, kein Dresscode. Das Phänomen ist nicht nur auf den Mauerpark beschränkt. Ähnliche Szenen spielen sich etwa auch in der Hasenheide ab, wo es in der Nacht zu Sonntag ebenfalls Zoff gab, als die Polizei eine Musikanlage beschlagnahmen wollte. Sozialwissenschaftler wundert nicht, dass viele Jugendliche keine Lust auf die von zahlungskräftigen Touristen bevölkerten Clubs der Stadt haben.
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keine Ausbildungsplätze führen zu Schlägereien im Mauerpark. Kann ich bitte die Studie sehen, die mir das bescheinigt?
Als Lösung wird natürlich die Planwirtschaft empfohlen...